Sonntag bis Mittwoch
verdammt. Ich bitte um keine Gefälligkeit, Ephron. Es ist Ihre Pflicht, die Bürger dieser Stadt zu beschützen und –«
Ephron unterbrach mich erregt. »Belehren Sie mich nicht über meine Aufgaben! Ich kann Leuten, die sich nicht an die Regeln halten, weder helfen noch sie beschützen. Wenn ich mich an meine Pflicht hielte, dann säßen Sie jetzt mit einer offiziellen Vorladung in meinem Büro und würden mir Name und Adresse Ihres Klienten nennen, damit ich eine Verhaftung vornehmen kann. Denn Sie wissen genausogut wie ich, daß es sich um ein Verbrechen – verschiedene Verbrechen – handelt, und es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Täter verhaftet, vor Gericht gestellt und wenn möglich verurteilt werden! Also sparen Sie sich Ihre Belehrungen, ich bin ein vielbeschäftigter Mann –« Da stockte er und fuhr in einem anderen Ton – müde, resigniert – fort: »Na schön, wie heißt der Ganove, auch wenn's wenig nützt?«
»Tut mir leid, Stan«, sagte ich.
»Mir auch«, brummte er.
»Mir ist klar, daß es eine Gefälligkeit ist –«
»Das sollte es auch. Was denken Sie sich dabei?«
»Wenn er wegen eines anderen Vergehens oder Verbrechens gesucht werden sollte und auf der Straße verhaftet werden könnte, von der Wohnung meines … Klienten entfernt, dann brauchte mein Klient keine Anzeige zu erstatten. Und wer würde sich darum scheren, wo sich der Junge versteckt hat? Wer würde sich seine Geschichte überhaupt anhören?«
Schweigen. Dann lachte Stanley Ephron. »In Ordnung, geben Sie mir den Namen.«
»Birchard. Wilbur Birchard.«
»Wie schreibt er sich?«
»Keine Ahnung.«
»Wie günstig.«
»Wir haben Grund zu der Annahme, daß er aus Columbus stammt.«
»In Ohio?«
»Das wissen … wir nicht.«
»Sie sind eine große Hilfe. Was glauben Sie, wie viele Städte nach unserem Entdecker genannt sind?«
»Ich … wir glauben außerdem, daß er schon einmal in einer Nervenheilanstalt war. Nach irgendeiner Gerichtsverhandlung. Und daß er ausgerissen ist …«
»Mit diesen präzisen Angaben sollte es ein leichtes sein!«
»Möglicherweise hat er sich der Einberufung entzogen.«
»Das ist Bundessache. Ihr Büro kann das durch die Musterungsbehörden ausfindig machen.«
»Er kann Mitglied der Schauspielergewerkschaft sein, oder auch nicht.«
Ephron lachte wieder – wie ich es beabsichtigt hatte. »Das mag zwar sträflich sein, aber dagegen kann ich nichts unternehmen. Nun, Adam, Sie haben sich ja wirklich hineingekniet. Jetzt verraten Sie mir eines, auch wenn's mich nichts angeht: Warum wollen Sie jetzt dahinterhaken? Sagten Sie mir nicht gestern, daß die beiden sich heute nachmittag nach der Abtreibung aus dem Staub machen wollen?«
»Daran –« Meine Kehle war wie zugeschnürt. »Daran klammert sich mein Klient.«
»Aber Sie glauben nicht daran?«
»Ich möchte vorbeugen.«
Wieder lachte Ephron. »Ich muß ins Gericht. Ich rufe Sie zurück, falls wir auf etwas stoßen. Und, Adam –«
»Ja?« Was kam nun? Er hatte meine Lügen doch durchschaut! Ein Detektiv war doch bereits zu Wilbys Beobachtung abgestellt. »Was?«
»Wenn ich jemals in eine Klemme gerate und einen Anwalt brauche, dann wende ich mich an Sie. Bis bald.«
Langsam legte ich den Hörer auf. Was hatte er damit gemeint? Daß ich mich verraten hatte? Was würde er unternehmen? Was würde er nun machen? Denn Sie wissen genausogut wie ich, daß es sich um ein Verbrechen – verschiedene Verbrechen – handelt –
Verschiedene Verbrechen. Jenny is noch nich mal achtzehn.
Jetzt würde er natürlich, seiner juristischen Logik folgend, Wilby und Jenny heute nachmittag beschatten lassen. Warum? Um ein weiteres Verbrechen zu verhüten? Oder sie in flagranti ertappen, eine Schau mit der Verhaftung abziehen, inklusive Presse und Fernsehen, um sich eine weitere Feder an seinen politischen Hut zu stecken! Und dieser Brief. Himmel, wie konnte ich diesen Brief vergessen haben. Wenn Wilby geschnappt würde, wegen irgend etwas, unter irgendeinem Vorwand, wenn sie ihn verhafteten und durchsuchten! Warum hatte ich schlafende Hunde nicht schlafen lassen? Warum nicht zumindest, bis ich sicher wußte, ob sie am Nachmittag verschwanden?
In diesem Moment – als ich wieder auf die Uhr blickte: erst zehn Uhr einundzwanzig – dämmerte mir, daß, wenn tatsächlich einer von Ephrons Männern Wilby unter Beobachtung hielt, es um Wilbys Geisteszustand nicht im entferntesten so traurig bestellt war, wie ich
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