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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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oder nicht.
    »Casanova –«
    Ich vernahm das Quietschen der Sprungfedern, als er sich aufrichtete. »Noch etwas, weil du mich jetzt aufgeweckt hast –«
    »Ich bin in Eile«, sagte ich.
    »Pfeif sie zurück.« Seine Stimme klang hinter meinem Rücken leise, tonlos und verdrossen. »Und komm mir nich mit Lügen, Paps. Is zu spät. Niemand wirft dir vor, daß du sie einschaltest, wenn du's könntest. Aber das kannste nich, kapito? Also pfeif sie zurück. Heute trennen wir uns sowieso.«
    Ich blickte über meine Schulter und sah ihn in der Bibliothekstür lehnen. »Wen soll ich zurückpfeifen?«
    »Wenn du den fetten Schnüffler nicht abziehst, wenn er mir heute wieder nachläuft –« Sein Tonfall wurde höher; ich genoß es. So kannte ich ihn. »Und mach mir nich weis, ich bild's mir ein! Fürs Irrenhaus bin ich noch nich reif, Paps. Das meinste bloß.«
    »Nicht ganz ohne Grund«, entgegnete ich; ich wußte, was ich ihm damit antat, mit Vergnügen.
    »Casanova, ich hab"ne Neuigkeit für dich. 'ne wichtige, also spitz die Ohren –«
    In der halboffenen Wohnungstür blieb ich stehen.
    »'ne große Neuigkeit. Jenny is noch nich mal achtzehn.«
    Meine Hand erstarrte auf der Klinke. Ich hörte ihn kichern, so laut wie ein Bellen.
    »Bei uns nennt man das Unzucht mit Minderjährigen, kapito, du Paragraphenreiter. Und's is egal, ob die Frau zustimmt oder nich.«
    Kapito.
    Ich umklammerte die Klinke und wußte nichts zu sagen. Wieder einmal.
    »Also, pfeif sie zurück.«
    Dann fand ich irgendwie meine Stimme. »Wie kann ich jemanden zurückpfeifen, der nur in Ihrer Einbildung existiert?«
    Ich warf die Tür hinter mir zu.
    Während ich den Lift hochholte, fiel mir Stanley Ephron ein: Woher nahm ich meine Sicherheit? Wie, wenn er meine Lügen durchschaut und einen Mann auf den Fall angesetzt hatte?
    Aber selbst dann konnte Wilby es nicht wissen. Ob es den fetten Mann in Wirklichkeit gab oder ob er nur eine Ausgeburt seines aus den Fugen geratenen Geistes war, es kam darauf an, ihn Wilby gegenüber ais Phantasieprodukt hinzustellen. Ich betrat die Aufzugskabine. Falls sein Geist tatsächlich verwirrt war, bestand eventuell die Möglichkeit –
    Hatte ich jedoch dazu ein Recht?
    Nein. Nicht, wenn sie bei meiner Rückkehr verschwunden waren.
    Als ich aus dem Lift trat, fragte ich mich – sogar noch jetzt! –, wieso mein Zorn verraucht war. Wo war meine Wut geblieben, die mich bisher aufrechterhalten hatte? Hatte eine Art abwegigen und gleichzeitig meine Widerstandskraft schwächenden Verstehens eingesetzt? Diese seltsamen Momente der Erkenntnis und des Mitleids letzte Nacht: bedeuteten diese Anflüge menschlichen Verständnisses in Wirklichkeit eine Unterminierung meiner Willensstärke? Und hatte er dies geplant? Sogar noch, während er sprach – mich anflehte, zuzuhören, zu begreifen? –, konnte er in irgendeinem separaten, ränkeschmiedenden Teil seines Geistes absichtlich an mein Verständnis und Mitgefühl appelliert haben, um –
    »Guten Morgen, Mr. Wyatt. Taxi?«
    »Ja, bitte.«
    Geoffrey – in tadellos gebügelter Livree mit blitzenden Knöpfen – hob die Trillerpfeife aber nicht an den Mund, sondern stellte sich vor mich an den Bordstein. »Ein bißchen spät heute, nicht wahr, Sir? Wie gefällt Ihren Verwandten denn New York?«
    Verwandte? Ich mußte meinen Blick etwas heben, um den Ausdruck in dem schmalen, hageren, englischen Gesicht zu erkennen: ehrerbietig, betont höflich, verhalten lächelnd.
    »In London soll es ja heutzutage viele solche Typen geben«, sagte er. Geoffrey gehörte mit zum Komplott! Kein Zweifel mehr. Obgleich in seinen grauen Augen kein Anflug von Frage oder Vorwurf lag, traf er keine Anstalten, ein Taxi herbeizurufen.
    »Sie ist ein besonders appetitlicher Happen, nicht wahr?«
    Eine ordinärere Bezeichnung hätte seine Absichten nicht deutlicher machen können. Entweder hatte er seine Finger von Anfang an drin und würde seinen Anteil erhalten, oder er bereitete nun eine Erpressung auf eigene Rechnung vor.
    Ein leeres Taxi tauchte auf, und ich pfiff.
    »Nicht nötig, Sir«, sagte Geoffrey, und seine gekränkte Miene berührte mich komisch. Er hielt den Schlag auf. »Kommt Mrs. Wyatt bald zurück?«
    Ich sagte durchs Fenster des Taxis: »Das geht Sie einen Dreck an!« und schlug die Tür zu, schon die zweite innerhalb weniger Minuten. Dann nannte ich dem Fahrer die Adresse und lehnte mich zurück, Geoffreys bestürztes Gesicht bewußt ignorierend.
    »Diese Portiers«,

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