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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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einer Verbeugung. »Nett, Sie wieder zu sehen.« Sein Teilhaber – sagte er Thurman? Etwas jünger als Lee Gray, sportlicher, mit blondem Bürstenschnitt und dem gleichen stereotypen Lächeln wie Glenn. Echte Freundlichkeit? War Glenns echt? Nicht an Anne denken! An nichts. Schon gar nicht Jenny. Eine Minute nach drei. Lee Grays Höflichkeit, bar jeder Nervosität, voll Zuversicht, ein Gladiator, nach Kampf lechzend – und doch bedenkt er mich mit einem forschenden, ängstlichen Seitenblick. Im Hintergrund ein blasser ältlicher Mann vor seinem Stenogerät; er schaut auf die Uhr: drei Uhr zwei.
    »Der Sachverständige wird doch nicht Angst bekommen haben?«
    Nach einem höflichen, lustlosen Lachen: »Dr. Harris ist ein vielbeschäftigter Mann, Mr. Wyatt.« Stewarts Stimme krächzt – whiskyrauh? Ist das eine Zurechtweisung?
    »Wer ist das nicht?« Das wollen wir doch gleich klarstellen. »Ich gebe ihm noch fünf Minuten.«
    Blicke. Stewart räuspert sich. Die Uhr tickt laut, als der Zeiger auf drei Uhr drei vorrückt.
    Sie tickt noch eine Minute, dann öffnet sich die Tür. Lee Gray wühlt in den Unterlagen, der Stenograph putzt sich die Nase. Dr. Harris. Stühle scharren, das Ritual wird wiederholt: allgemeine Vorstellung. Groß, würdevoll, in einem dunklen Anzug mit Nadelstreifen, gestutztem Schnurrbart, unfreundlich nimmt er Platz, ohne Entschuldigung.
    Keine weiteren Präliminarien: Harris kennt sie alle, er erlebt das nicht zum erstenmal. Stewart beginnt. Eid: die ganze Wahrheit und nichts als – Dr. Harris gelobt es, mit fester Stimme. Dr. Harris ist ein Mann von Wort, integer: man beachte seine Manschettenknöpfe, seine Krawatte. Fragen mit dröhnender Stimme, knappe Antworten, alle von der klickenden und summenden Maschine im Hintergrund registriert. Akademische Grade. Wo erworben? Wann? Mitglied der –
    Dr. Harris würde es wissen: Wie lang dauert eine durchschnittliche Abtreibung? Hängt von der Dauer der Schwangerschaft ab. Zwei Monate. Ach, nicht lang, in diesem Fall, völlig ungefährlich. Kein Grund zur Aufregung. Danke, Dr. Harris.
    Stewarts Fragen gängeln den Sachverständigen. Durchaus statthaft. Name der Patientin, Adresse, erste Konsultation, darauffolgende Untersuchungen, Ergebnisse, Diagnose.
    Lee Gray, zusammengesunken, lauscht mit jugendlicher Andacht. Siebzehn Minuten nach. Konnte die Operation zu Ende sein? Fand sie wirklich statt?
    Medizinische Termini. Das Übliche. »Würden Sie die Güte haben, das laienhaft auszudrücken, damit wir einfachen Sterblichen Ihnen folgen können, Doktor?«
    Stewarts volkstümliche Anwandlung. Lächeln.
    Ich habe mir lediglich ausgemalt, was für Absprachen solche Ärzte in einem Fall wie dem vorliegenden treffen. Außer dem normalen Honorar kompensieren wir natürlich die aufgewandte Zeit, ganz legalerweise – Gute Frage, Henry. Soll ich sie stellen? Nur, um Stewarts Protestgeschrei zu hören?
    »Und Ihre Prognose, Dr. Harris?« Angelpunkt.
    »Meiner Meinung nach –« Kernfrage muß durch würdevolles Räuspern unterstrichen werden –, »und ich kann mich natürlich irren« – was bei mir selbstverständlich kaum vorkommt –, »hat die Patientin eine schmerzhafte und bleibende Verletzung erlitten, deren Folgen sie bis an ihr Lebensende spüren kann.«
    Stewart grunzt. Mir ist auch danach zumute. Thurman schiebt ihm eine hastig hingekritzelte Notiz zu. Stewart wischt sie beiseite, lehnt sich zurück. »Mr. Wyatt.«
    Fast halb vier.
    Weitere Präliminarien. Adam Wyatt von Brant und Wyatt, ja, mit zweit, vertritt Mrs. Corbin, die Beklagte. Es konnte doch nicht länger als eine halbe Stunde dauern? Dicke Rauchschwaden hängen im Zimmer. Meine Zigaretten, Stewarts Zigarre, Lee Grays Pfeife.
    »Dr. Harris?«
    »Ja, Sir?« Nicht defensiv – kühl, etwas abweisend.
    So oder so, wenn sie stattfand, war sie nun vorüber. Es mußte alles vorbei sein.
    »Dr. Harris, Ihrer Aussage zufolge glauben Sie, daß Mrs. Sloane eine schmerzhafte, bleibende Verletzung erlitt, die sie bis an ihr Lebensende spüren kann. Stimmt das?«
    »Ich glaube schon.«
    »Liegt darin nicht ein gewisser Widerspruch, Doktor?«
    »Keineswegs.«
    »Mir scheint aber, daß sie eine bleibende Verletzung bis an ihr Lebensende spürt – spüren kann.«
    »Ich bin nicht hier, um Haare zu spalten.«
    »Nur für unsere Unterlagen« – und um dich würdigen Herrn etwas aus dem Gleichgewicht zu bringen – »hätten wir gern eine Entscheidung. Ist die Verletzung Ihrer

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