Sonntag bis Mittwoch
»Ich gehe«, sagte sie mit harter Stimme. »Ich suche mir jemand, und dann kommen wir her, und du kannst zusehen!«
Daraufhin geht der Mann wortlos zur Diele, öffnet die Wohnungstür und tritt beiseite.
Mit verzerrtem Gesicht hastet sie in die Diele. »Und wenn du uns nicht 'reinläßt, dann treten wir die Tür ein und schreien, bis das ganze Haus zusammenläuft!«
Der Mann reagiert nicht. Sie schauen einander an.
Da schlingt sie unvermittelt die Arme um seinen Hals und küßt ihn auf den Mund. Aber er wendet den Kopf ab, löst ihre Arme, schiebt sie beiseite und schreitet die Stufe hinab.
Sie reibt sich die Handgelenke. »Du verdammter Schuft«, murmelt sie. »Vögeln willst du mich, aber nicht küssen!«
Dann springt sie ihn mit raubtierhafter Plötzlichkeit von hinten an, mit gezückten Krallen und fauchend. Als er herumwirbelt und den Kopf einzieht, kratzt sie ihn diagonal über die linke Wange, vier blutige Striemen. Anscheinend mühelos packt er ihre Handgelenke und schleudert sie beiseite; halb sitzend landet sie auf dem Boden und funkelt ihn aus dunklen Augen an.
Sie keucht leise – der einzige Laut in dem stillen Zimmer – und versucht es auf andere Weise. Sie entspannt sich, lächelt mit zuckenden Lippen und zeigt dann eine berechnende Gelassenheit.
Sanft sagt sie: »Du weißt doch, ich hab' nichts dagegen, wenn du mich haßt, Liebling. Mir gefällt's.«
Der Mann betrachtete sie so distanziert, als wäre sie Ungeziefer, und stößt einen seltsamen Laut aus – von Ekel geschüttelt.
Das Mädchen springt auf, ohne ihn aus den Augen zu lassen, und greift mit beiden Händen an den Halsausschnitt ihres Kleides. Mit einem nervenzermürbenden Knirschen, das den ganzen Raum erfüllt, reißt sie es in der Mitte auseinander. Eine Sekunde lang blitzen ihre nackten Brüste auf. Dann läßt sie die Arme sinken. Der Stoff klafft in einem tiefen V auseinander.
»Ich weiß schon, was mit dir los ist«, fährt sie mit rauhem und dabei leicht amüsiertem Ton fort. »Wie gestern nacht. Du kriegst ihn nicht zum Stehen, was?«
Ausdruckslos und ohne sie eines Wortes zu würdigen geht er an ihr vorbei zur Treppe.
Nun dreht sie sich ruckartig zu ihm um, gepackt von wilder Verachtung. »Du bist ja kein Mann! Hast nicht mal Wilby fertiggemacht, als du 'ne Chance hattest. Hast ihm nicht gegeben, was er verdient hat, er hat's darauf angelegt, er will das ja!« Der Mann bleibt nachdenklich auf den Stufen stehen, ohne sich umzusehen. »Nach allem, was dir der Lump angetan hat, hätte ihn ein richtiger Mann umgebracht!«
In die Stille hinein, ehe der Mann seinen Weg fortsetzen kann, platzt das Schrillen der Türklingel.
Der Mann dreht sich um, aber das Mädchen ist schneller – mit eckigen Bewegungen und wild rennt sie in die Diele und reißt die Wohnungstür auf.
Der korpulente Mann im Hausflur lächelt liebenswürdig; beim Anblick des Mädchens allerdings verläßt ihn die Höflichkeit. Ungeniert betrachtet er sie von Kopf bis Fuß, er fährt mit der Zunge über die wulstigen Lippen und läßt seine Blicke zögernd und verwirrt durch das hinter ihr liegende Zimmer schweifen, bis er die stille, starre Gestalt auf der Treppe entdeckt.
»Ach, da sind Sie ja. Bitte um Entschuldigung, und so weiter.« Aber noch während er spricht, huscht sein Blick zu dem Mädchen zurück. »Ich wollte nur berichten, daß es nicht fünfzig, sondern hundert gekostet hat, die Hüter von Gesetz und Ordnung zum Umkehren zu bewegen. Sogar die Preise für Korruption steigen.« Er seufzt tief und lächelt das Mädchen an. »Leider kann ich nicht bleiben, selbst wenn meine Gegenwart erwünscht wäre.«
Aber noch während er sich schwerfällig und sichtbar zögernd umdreht, flötet das Mädchen: »Warum nicht?«
Mit einer Hand auf der Türklinke bleibt er schwer atmend und steif stehen und runzelt die Stirn.
»Warum nicht?« Nun ist ihr Ton verändert: sanft, vibrierend und fast spielerisch. »Wir gehen noch nicht zu Bett.« Sie schlendert ins Wohnzimmer zur Bar und ignoriert den Mann auf der Treppe. »Was möchten Sie gern trinken?«
»Hm« – er schaut ihr nach –. »Ich glaube kaum, unter diesen Umständen –« Er blickt hoch. »Adam?«
»Warum nicht, Donald?« Die Stimme des Mannes klingt tonlos. »Warum nicht, zum Teufel?«
»Es sei denn«, sagt das Mädchen von hinter der Bar, »Sie möchten Ihren Schlaftrunk lieber woanders nehmen. Wo es besser riecht.«
Donald betrachtet wieder das Mädchen, das hinter der Bar
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