Sonntag bis Mittwoch
hervorgekommen ist und mit einer Hand in der Hüfte dasteht. »Adam?«
»Ich ziehe mich nur schnell um«, sagt das Mädchen und klettert summend die Treppe hinauf. Als sie an dem Mann vorbeigeht, murmelt sie, laut genug für Donalds Ohren: »Liebling, du solltest mir nicht die Kleider vom Leib reißen, man kann doch nie wissen, wer vor der Tür steht.« Dann verschwindet sie.
Donald räuspert sich. »Hören Sie, alter Junge, ich stelle keine Fragen und so weiter, aber wenn Sie etwas dagegen haben, dann sollten Sie jetzt mit der Sprache herausrücken.«
»Keine Einwände«, entgegnet er fast unhörbar.
»Da bin ich aber erleichtert.« Donald kommt ins Wohnzimmer. »Sie wissen, daß Sie im Gesicht bluten?«
Der Mann zieht mechanisch ein Taschentuch aus der Tasche und betupft die linke Wange.
»Hat sie das gemacht?« Und in Donalds Ton liegt eine Mischung aus Entsetzen und sinnlicher Faszination. »Tigerweib.« Dann kichert er nervös. »Hm … übrigens … soll ich sie … wieder zurückbringen?«
»Fragen Sie sie.«
»Adam, ich möchte mich ja nicht einmischen, Sie stehen vielleicht unter dem Einfluß einer Droge, aber –«
Das Telephon klingelt.
Sofort, wenn auch schwerfällig, steigt der Mann die Stufen empor, betritt das Zimmer neben dem, in welchem das Mädchen verschwunden ist. Es schellt wieder.
Im Schlafzimmer setzt er sich steifbeinig auf die Bettkante und nimmt den Hörer ab, als der Apparat zum drittenmal läutet.
»Hallo?«
»Hallo. Hier … hier spricht Glenn.«
Glenn?
Glenn.
Die bekannte, höfliche Stimme traf mich wie ein Schlag. Glenn – Annes Mann, der immer lächelte. Er versetzte mich mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. Das war fast mehr, als ich ertragen konnte.
»Hallo! Hallo!«
Ich umklammerte den Hörer; dies ging mich an, wirklich und eindeutig mich persönlich, und nicht mehr den Fremdling mit dem Revolver, den ich aus der Distanz beobachtet hatte.
»… rufe eigentlich wegen Anne an –«
»Was?« Ich mußte mich zusammenreißen, unbedingt. »Ist mit Anne etwas geschehen? Nun rede doch, verdammt!«
»Gern, wenn du endlich zu brüllen aufhörst. Es ist ja schließlich kein Beinbruch. Ich wollte, daß Anne es dir selbst sagt, aber sie möchte nicht.«
»Mir was sagt?«
»Ich bin also unter einem Vorwand nach Newton in mein Büro gefahren, damit Anne nicht merkt, daß ich dich anrufe –«
Krampfhaft hielt ich das Telephon, vornübergebeugt und mit so ausgetrocknetem Mund, daß ich die Worte nur mühsam formulieren konnte. »Glenn … bitte … wovon redest du überhaupt? Bitte?«
Stille. Das Zimmer drehte sich in einem langsamen Menuett, so daß ich in einer Spirale zu schweben glaubte, sobald ich die Augen schloß. »Wovon wir reden?« Sein Ton war nachsichtig, sogar etwas gönnerhaft.
»Heute ist Annes Geburtstag, wie du weißt, oder war es.«
Annes Geburtstag? Der 2. August 1946. Zwanzig Jahre. Sogleich sah ich ihr Gesicht vor mir – sensibel, verletzt, traurig. Und irgendwo in meinem Inneren, in meiner totalen Erschöpfung, regte sich Kummer. »Du wolltest heute abend zum Essen kommen –«
Ich mußte etwas sagen. »Glenn, ich habe es vergessen, ganz einfach –«
»Na ja, jeder kann mal etwas vergessen. Aber du weißt doch, wie Anne so etwas aufnimmt.« Eine gewisse Schärfe, an offene Feindseligkeit grenzend, war unverkennbar. »Wenn es jemand anderer wäre – sogar ihre Mutter dann würde sie es sich wahrscheinlich nicht so zu Herzen nehmen.«
Du bist für mich der bestaussehende, jüngste Mann, den ich – Gleich nach Glenn, natürlich.
»Du kannst es ruhig erfahren: Anne glaubt, du hast sie angelogen. Inwiefern weiß ich nicht. Aber du kennst ja Annes Einstellung. Na ja, meine ist auch nicht viel anders. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum wir uns ineinander verliebt haben. Wenn du es ihr also erklärst, dann würde ich vorschlagen, ihr einfach die Wahrheit zu sagen, einerlei, was es ist.«
Ich schlug die Augen auf. Das Zimmer drehte sich nicht mehr. Die Übelkeit saß tiefer, blieb aber unter Kontrolle. Hat Glenn einen Verdacht? Weiß er, was los ist? Hat er es sich zusammengereimt und mit Anne darüber gesprochen? Und jetzt soll ich es ihr sagen – obgleich er Annes Haltung kennt. Dann kann er sie nicht lieben. Wenn ihm ihre Empfindungen so gleichgültig sind. Alles, was einen Keil zwischen Anne und mich treibt –
»Bist du noch da?«
»Ja.« Ich bin dir hinter die Schliche gekommen, Glenn. Und ich bin noch
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