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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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in der Luft herum und brüllt wie am Spieß, von keuchenden Atemzügen unterbrochen.
    Betrunken? Aufgeputscht? Pillen? Irrsinnig?
    Ich schreie seinen Namen, dringe aber nicht durch.
    Vielleicht, weil er meine Gegenwart spürt – obgleich seine Augen glasig bleiben –, stößt er wimmernd aus: »Er soll mich loslassen. Er soll weggehen –« Dann stößt er wieder mit zurückgeworfenem Kopf und zusammengepreßten Augen seine schrillen Schreckensschreie aus.
    Ratlos hole ich aus, versetze ihm mit der Handfläche eine Ohrfeige, mit dem Handrücken eine zweite; es klatscht.
    Er sackt zusammen, fällt ächzend auf die Couch und vergräbt seinen Kopf in den Armen. Und beim Anblick dieses zusammengekauerten Bündels Elend kommt mir der Gedanke, dies sei wieder einer seiner Tricks. Im nächsten Moment wird er mich spöttisch angrinsen.
    Aber ich habe mich geirrt. Er jammert und schluchzt noch eine Weile, dann richtet er sich auf. Sein Gesicht wirkt jung und wehrlos, trotz des Bartes, und seine Augen blicken starr, blinzeln, werden langsam klar. »Was ist mit Ihnen los, zum Teufel?« frage ich.
    »Wo ist sie?« In seiner Stimme liegt ein schwaches Echo der Angst, die noch immer in seinem Blick flackert. »Wo ist sie hin?«
    »Wo ist was?«
    »Spiel nicht mit mir.« Flehend, nicht etwa befehlend. »Wo ist sie hin?« Dann springt er auf, packt die Armlehne der Couch und zieht sie von der Wand fort. »Ich bringe sie um. Gib mir den Revolver. Ich muß sie töten!« Aber am Boden unter der Couch ist nichts zu entdecken. Er hetzt wie wild herum, verrückt den Schreibtisch, wirft einen Sessel um und bleibt dann zitternd und schwer atmend fassungslos stehen. Heftig wirft er die Wohnzimmertür zu.
    Anscheinend erleichtert und zufrieden sinkt er auf die Couch, von Schauern geschüttelt und schweißnaß. Schließlich schaut er mir ins Gesicht, als sähe er es nun zum ersten Mal. »Du warst's, was?«
    »Sie haben schlecht geträumt«, erwiderte ich. »Ich kenne das.«
    »Geträumt?« Sein Ton wird hart. »Geträumt, Scheiße! Du hast die Katze hereingebracht. Du warst schon immer gegen mich.«
    Katze? Gegen ihn? Mir ist zum Lachen zumute, doch ich verbeiße es mir.
    »Jenny hat gequatscht. Jenny hat dir gesagt, daß ich sie nicht ausstehen kann, und da haste's probiert. Noch 'n Trick. Jenny haste auch schon gegen mich aufgehetzt.«
    Guter Gott, er ist bereits weiter von der Vernunft entfernt, als ich zu hoffen wagte. Was wird er unternehmen, wenn er merkt, daß Jenny nicht zurückgekommen ist?
    »Jetzt lauert sie draußen. Im anderen Zimmer.«
    »Hier ist keine Katze.« Warum probiere ich es mit rationalen Argumenten? Mir kann es doch nur recht sein, wenn –
    »Ich warne dich, Paps – lüg nicht! Schau meine Hand an. Sie wollte mich nicht loslassen, hat bis auf den Knochen gebissen.« Er streckt mir die Hand hin. »Siehste die Zahnspuren, siehste die Kratzer?«
    Ich sehe hin: keine Kratzspuren, kein Biß.
    »Schauen Sie doch selbst«, fordere ich ihn auf.
    Er reckte den Arm hoch, betrachtet ihn. »Die häßliche Bestie hatte Zähne wie ein Wolf. Schau doch, was sie mir getan hat!« Dann jammert er. »Ich konnte sie nicht abschütteln. Je mehr ich schüttelte, desto mehr hat sie sich verbissen – und mich die ganze Zeit angestarrt – wie fasziniert – als wollte sie mir nicht wehtun – und ich konnte nicht wegschauen – und wir haben uns angestarrt ich hab' gehört, wie ich brülle – aber ich glaub', wir hatten Kontakt – mit den Blicken. Wenn ich sie erwische, wenn du sie draußen versteckt hast, dann bringe ich sie um, wenn ich kann – oder sie mich – dann beißt sie mir die Schlagader durch – aber wir verstehen uns – auch wenn ich sie töte, oder wenn sie mich tötet!«
    Seine Stimme überschlägt sich wieder in schrillem Falsett, vibriert noch jetzt in der Stille – irrsinnig.
    Ich spüre die Verlorenheit hinter den flackernden, blassen Augen, und mir ist wieder, als fließe mein Blut dünner, vor Mitleid. Eine Empfindung, die er wahrscheinlich absichtlich provoziert! Als mir dieser Verdacht durch den Kopf schießt, frage ich mich – da ich trotz allem, was er mir bereits angetan hat und noch antun wird, zu dieser heimtückischer: und lähmenden Sympathie imstande bin –, ob ich nicht bereits ebenso nahe am Rande des Wahnsinns stehe wie er.
    »Willste mir weismachen, es gibt keine Katze?« Die Frage ist verblüffend, als hätte er wieder meine Gedanken gelesen. »Daß ich sie mir bloß

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