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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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dann eine Pause, dann fünf Schritte zurück. »Weißte, was mir gerade eingefallen ist? Hör zu, und schlaf nicht. Gott hat nicht das Ganze begonnen. Satan war's. Dieser schlaue Luzifer, als er dem alten Mann gesagt hat, ich bin so gut wie du! Und dann gab's Streit im Himmel. Aber Satan verlor – er verlor die Schlacht, aber er gewann den Krieg, gewinnt ihn immer wieder. Also hat Gott ihn 'rausgeworfen. Und da hat Gott festgestellt, wieviel Macht er hat. Also mußte er weitermachen, kapito? Konnte doch so 'nen schönen Ort wie die Hölle nicht einfach brach liegenlassen? Da kam ihm die Idee – Menschen. Er wollte da unten 'n paar Einwohner haben. Vielleicht hat er auch gemerkt, daß er Leute gern leiden sieht. Und hat seither daran seinen Spaß. Erst als der alte Adam den Apfel aß, kriegte er Angst. Daß Adam von dem Baum der Erkenntnis profitiert und merkt, wie er an der Nase herumgeführt worden ist. Weil Gott nicht wollte, daß er dahinterkommt, daß es Gut und Böse gar nicht gibt. Daß … Gut … und … Böse … eins … sind!« Und ein Erschrecken liegt in seinem Ton, als habe er soeben eine welterschütternde Entdeckung gemacht. »Daß … alles eins ist. Wie kann es so etwas wie Verbrechen geben, wenn die ganze Welt ein Verbrechen ist. Gott hat das erste begangen. Wie Jesus selbst gesagt hat – er übernimmt die Sünden der Welt – aber er wollte nicht dafür sühnen – dieser schlaue Kreuzigungstrick –, er meinte, weil er sie selbst begangen hatte – an sie glaubte … sie deshalb auf sich nahm. Weil er es wußte. Er wußte es, und ich weiß es.«
    Seine Stimme bebt von verhaltenem Jubel. Und mir drängt sich die Frage auf: Faselt da ein Irrer, oder steckt in diesen Worten eine invertierte Logik, die mein Begriffsvermögen übersteigt? Er fixiert mich, und ich muß den Blick abwenden vor der harten, blauen Intensität seiner Augen, die mich mysteriös und wild und wie aus urweltlichen Zeiten, von einem anderen Planeten oder vielleicht gar von außerhalb des uns bekannten Universums, anfunkeln. Es schaudert mich.
    »Kapierst du's?« fragt er sanft. »Kommste mit?«
    Und in diesem Zustand apathischer Erschöpfung lasse ich mich wie hypnotisiert hinreißen: Wie leicht, angenehm, verführerisch, erlösend ist es doch, die Grenzen zu jenem Zauberland zu überschreiten, wo Unterschiede verschwinden, wo es nichts als Freiheit und Unwirklichkeit und Verzückung gibt.
    »Na, Mann? Was?« Nun liegt eine Dringlichkeit in seinem Ton, ein kindliches Flehen um Verständnis und mehr noch um Zustimmung. »Antworte, Paps. Bitte.«
    »Ich verstehe ziemlich viel.«
    Zu mehr reicht es nicht, schwache Worte, genuschelt und völlig unbefriedigend, sie genügen nicht. Er durchschaut sie sofort.
    »Quatsch«, flüstert er traurig, dann noch einmal bitter. »Quatsch!« Er stößt einen Laut der Verachtung aus. »Ich weiß schon, was du denkst, Paps. Aber das ist zu einfach. Das is dein Ausweg, weil du noch immer nich dabei bist. Ich bin nicht verrückt!« Er macht eine Kehrtwendung und zieht ruckartig die Vorhänge auf. Draußen hat sich die graue Dämmerung golden gefärbt. Wilby bleibt mit dem Rücken zu mir stehen, mit hängenden Schultern, und seine Worte klingen elend und matt. »Ich weiß, warum du vorhin heruntergerast bist. Schiß, die Nachbarn könnten mich hören, wie ich die verdammte Katze angebrüllt habe. Ich bin dir ganz wurscht, also mach mir nichts vor!« Er dreht sich schnell um und knurrt. »Wie du mich geschlagen hast, wolltste mir nur das Maul stopfen, kapito?«
    »Ja«, antworte ich und höre wieder seinen Hohn. »Aber –«
    »Ja?«
    Kann ich es riskieren? Falls die geringste Chance zu irgendeinem inneren Kontakt besteht –
    »Was, Paps?«
    »Aber auch, weil Sie mir leid taten.«
    »Leid?« Geflüstert. »Hör mal, Mann, ich brauche kein Mitleid, von niemand.« Dann schärfer: »Spar's dir. Ich will's nicht. Ich halt' nichts davon, aber weil du's bist –« Die Augen halb geschlossen: »Du kannst machen, was du willst, weil ich dich liebe.«
    Es dauert eine Weile, ehe die Bedeutung seiner Worte die dunkle Wolke meiner Schlaftrunkenheit durchdringt, die mich hilflos auf dem Sessel festhält. Aber selbst dann bin ich zu keiner Überraschung, keinem Abscheu oder Schock fähig. Ich bestehe nur noch aus verzweifelter Erschöpfung.
    »Haste gehört? Liebe.«
    Ich höre nur, wie ich einmal kurz auflache.
    »Findste das etwa komisch?«
    Ich schaue zu ihm auf. »Wilby«, sage ich,

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