Sonntags bei Tiffany
gelassen.
»Natürlich«, erwiderte die Verkäuferin, als hörte sie diesen Satz alle zehn Minuten.
Kreditkarten, Ausweis und Schecks wurden hinübergereicht. Alles ging ganz schnell, und ja, Virginia, es gibt einen Grund dafür.
Nachdem sie meinen Führerschein inspiziert hatte, fragte die Verkäuferin: »Sind Sie zufällig mit Vivienne Margaux verwandt?«
»Sie ist meine Mutter.«
»Ich verstehe.« Die Verkäuferin nickte wissend, und nach wenigen Minuten stand ich auf der Fifth Avenue, wo das Licht in den Diamanten an meiner Hand perfekt funkelte.
Ich schielte beim Gehen zu meiner rechten Hand hinab. An der Ampel wagte ich einen weiteren Blick.
Dann blickte ich nach links.
Das war es.
Genauso verführerisch wie das Tiffany.
DREIUNDDREISSIG
D as St. Regis! Ich liebe das St. Regis«, schwärmte Claire, als sie und Michael um die Ecke der Fifth Avenue bogen und das Hotel erblickten. Er hatte sie in der Nähe Bryant Park abgeholt, wo sie mit einem anderen Model wohnte, von dort waren sie auf der Sixth und dann auf der Fifth Avenue nach Norden gegangen. Er hatte gewitzelt, er könnte ihr etwas Kleines bei Tiffany kaufen â wieder so eine komische Erinnerung an Jane, die ihm gekommen war.
»Bist du reich, Michael?«, fragte Claire lachend.
»Nur im Geiste«, antwortete er. Eigentlich brauchte er nur mit den Fingern zu schnippen, dann hatte er fast alles, was er wollte. Wortwörtlich. Schnipp! Und schon steckte etwas Geld in seiner Tasche. Er wusste nicht, wie das passierte, doch warum sich dagegen wehren? Aber er brauchte ohnehin nicht viel, das einfache Leben gefiel ihm am besten.
»Können wir hineingehen?«, fragte Claire.
»Na klar. Wir lieben das St. Regis!«
Und plötzlich stand er direkt davor â vor dem Astor Court. Das Restaurant hatte sich völlig verändert, dennoch kam es Michael noch genauso vor wie früher. Frauen in Designerkleidern, Väter, die ihre Kinder zum Essen
ausführten, Familien, die sich über Petit Fours, Cremeschnitten, Kuchen und Crème brûlées hermachten.
»Sind Sie zu zweit?«, fragte der Oberkellner.
»Ja, zu zweit«, bestätigte Michael. Er spürte, wie sein Puls stieg. Aber warum? Es war ja nicht so, als würde er Jane hier treffen. Auch nicht die achtjährige Jane.
Er und Claire bekamen einen Vierertisch, von dem die beiden überflüssigen Gedecke abgeräumt wurden.
»Das ist traumhaft!«, schwärmte Claire. »Ich war noch nie hier, obwohl ich schon fünf Jahre in New York lebe.«
Michael lächelte sie an, froh, ihr diese Freude bereiten zu können. Er lieà seinen Blick umherschweifen. Das Restaurant schien in der Zeit stehen geblieben zu sein, mit der Musik â »Love in Bloom« -, den Servierwagen voller Desserts, den Porzellantabletts mit Sandwiches.
Aber es gab keinen imaginären Freund, der Melone, kein achtjähriges Mädchen, das Eis mit KaramellsoÃe aÃ. Es war, als fehlte auf der Bühne einer der beiden Hauptdarsteller.
Jane.
Was tat er hier? Versuchte er, einige der schönsten Nachmittage seines Lebens wieder wachzurufen? Mit Claire De Lune als Statistin für ein trauriges, tapferes, wunderbares Mädchen, das seinen Mut nicht verloren hatte, als er sie verlassen hatte? Er blickte Claire an. »Ist das hier für dich in Ordnung?«, fragte er.
Sie strahlte. »Natürlich! Ich liebe es, Michael! Das würde jede Frau tun. Und falls du es nicht bemerkt hast: Ich bin eine Frau.«
Er schluckte. »Ja, äh, ich habe es bemerkt.«
VIERUNDDREISSIG
D as Schwirren im Kopf, nachdem ich ein Vermögen für einen Stein ausgegeben hatte, der als Scheinwer fer auf einer Weltraumstation verwendet werden konnte, lieà nach.
Zurück blieb nur noch ein leichtes Flattern. Als würde die Wirkung einer Droge nachlassen. Jetzt musste ich mich unbedingt entspannen, mich beruhigen. Und, ja, nach diesem vermaledeiten Tag auch ein Dessert essen. Das St. Regis war der perfekte Ort, um all das zu tun. Das Elend zog sich wie ein roter Faden durch mein Leben: Mein Ex freund war ein Egomane und totaler Wichser; meine aktuelle Mutter trieb mich schon seit Jahrzehnten in den Wahnsinn; ich hatte eine Unsumme für einen Ring ausgegeben, den ich nicht brauchte. Abgesehen davon ging es mir prächtig.
»Hätten Sie gerne die Speisekarte, Miss?«, fragte der Kellner.
Woher wusste er, dass ich
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