Sonntags bei Tiffany
hier, und mir gehtâs nicht besonders gut. Wir unterhalten uns später, Mutter.«
Ich wartete nicht, bis sie sich verabschiedet hatte.
In meiner leeren Wohnung hielt ich es nicht aus. Ãberall, nur nicht hier. Na ja, überall, nur nicht hier und in Brooklyn. Ich zog meine verdreckte Hose aus und eine Jeans und ein »Music in the Park«-T-Shirt an und machte mich auf den Weg ins Zentrum. Ziellos.
Nach etwa zwanzig Minuten bog ich auf der 57th Street Richtung Westen ab. Dort lagen die Robinson Galleries. Und Hermes. Und meine Kindheitsheimat fern der Heimat: das Tiffany.
Auf dem Schild am Fenster stand »Sonntags 11-18 Uhr geöffnet«. Was ich natürlich wusste, da ich unzählige Sonntagnachmittage mit Vivienne hier verbracht und Diamanten durch eine Lupe begutachtet hatte, um zu versuchen, ihren Wert einzuschätzen. Wahrscheinlich war ich die einzige Siebenjährige gewesen, die sich mit den Facettenproportionen und den Vorzügen eines Asscher-Schliffs im Vergleich zum Brillantschliff auskannte.
Eilig schlüpfte ich durch die Drehtür auf der 57th Street, als würde ich seilhüpfen. In null Komma nichts war ich am Eingang der Fifth Avenue und ertappte mich dabei, wie ich einen Diamanten aussuchte.
ZW EIUNDDREISSIG
I mmer, wenn ich bei Tiffany war, kamen die Erinnerungen zurück. Das Gefühl des Teppichs unter meinen FüÃen, das schimmernde Holz an den Wänden, die Hitze der Lampen unter dem Glas der Auslagen. Hier waren Vivienne und ich immer allein hingegangen, ohne ihr Gefolge, und hier hatten wir ein echtes Mutter-Tochter-Verhältnis gelebt. Hier schien meine Mutter am ehesten sie selbst gewesen zu sein â mehr noch als im Theater. Und glücklich.
Ich sah mir die Auslagen an, als plante ich eine Hochzeit im Juni, die ich doch heute erst in den Sand gesetzt hatte. Die Diamantringe waren wie zu einer göttlichen Ordnung aufgereiht: vom kleinsten, kaum sichtbaren Ring mit einem Stein bis zu den exquisiten, naturrosa und -gelben viereckigen oder birnenförmigen Diamanten. Ein Ring kostete schon so viel wie ein Luxuswagen.
»Darf ich Ihnen etwas zeigen?« Eine junge Verkäuferin war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Sie entsprach meiner Vorstellung von Eleganz â einfaches schwarzes Kleid mit schwarzer Perlenkette. Ganz schlicht.
»Hm«, sagte ich.
Ich bemerkte ihren verstohlenen Blick auf die nackten Finger meiner rechten Hand.
»Wissen Sie«, begann sie in einem gekonnt vertrauensvollen Ton, »viele Frauen beschenken sich selbst mit einem Diamanten für ihre rechte Hand.« Beschenken sich selbst. Na, wie sich das anhörte. Viel besser als, sagen wir, »sich selbst befriedigen«.
Ja, ich hatte tatsächlich die Anzeigen in Vanity Fair und Harperâs Bazaar gesehen. Die Diamanten für die rechte Hand. Die linke Hand heiÃt, man wird geliebt. Die Rechte sagt, man ist unabhängig. Bla-bla-bla. Doch offenbar hatte die Werbung gewirkt. Zumindest bei mir.
»Dürfte ich den dort mal sehen?« Ich zeigte auf einen klassischen Tiffany-Celebration-Ring mit mehr als einem Dutzend makelloser Diamanten auf einem Platinband.
»Er ist wunderschön, nicht wahr?«, sagte die Verkäuferin, als sie ihn vorsichtig auf ein Stück schwarzen Samt legte. Die Diamanten leuchteten von innen heraus, und selbst als Siebenjährige hätte ich sagen können, dass sie perfekt geschliffen waren.
Gott, war dieser Ring schön. So schön, dass mir beinahe die Augen schmerzten. Und mein Herz.
»Stecken Sie ihn sich einmal an«, drängte die Handlangerin des Teufels.
Ich schob ihn über den Ringfinger meiner rechten Hand. Oh! Ich kam mir wie eine richtige Erwachsene vor. Der Ring lieà meine Hand beinahe auf den Tresen knallen. Er war einfach nur phantastisch. In jeder Hinsicht ein Celebration-Ring.
»Er sitzt wie angegossen und braucht gar nicht angepasst zu werden«, flüsterte sie mir konspirativ zu.
Ich war oft genug bei Tiffany gewesen, um zu wissen,
dass der Mann in grauem Anzug neben mir, der so tat, als würde er sich ebenfalls Diamantringe anschauen, vom Sicherheitsdienst war. Sah ich so verdächtig aus? Gefährlich? Wäre schön.
»Was würde dieser hier kosten?«, fragte ich.
»Fünfundsechzigtausend«, flüsterte sie. Irgendwie schaffte sie es, zu klingen, als wäre der Ring zu diesem Preis geschenkt.
»Ich würde ihn gerne kaufen«, sagte ich
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