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Sophia oder Krieg auf See

Sophia oder Krieg auf See

Titel: Sophia oder Krieg auf See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Braband
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vorzuführen.
    »Das glaube ich aber nicht«, gab Jonathan trotzig zurück und die besagte Instanz in seinem Gehirn fiel auf der Stelle in Ohnmacht vor Schreck. Das hatte er nicht wirklich gesagt, oder? Doch, hatte er. Jonathan fühlte, wie diverse seiner Körperteile abwechselnd heiß und kalt wurden.
    Bernard machte noch einen Schritt auf Jonathan zu und es war nicht zu übersehen, dass der Adlige seinen Ohren kaum traute. Der Nobelmann zog langsam sein Schwert und die Leibgarde in der Ecke des Raumes tat es ihm nach. Bernard hob gemächlich die Waffe und richtete sie auf Jonathan. Der ließ sich nichts anmerken. »Wenn Ihr kämpfen wollt«, sagte Jonathan mit fester Stimme und war plötzlich irre Stolz auf sich, »dann stehe ich Euch gerne zur Verfügung«. Der Herzog lächelte, nickte kurz und senkte dann seine Waffe wieder.
    Ermutigt von diesem Erfolg hielt Jonathan den Augenblick für gekommen, die Gesprächsführung in die Hand zu nehmen. »Nur weil die Frau keine Auskünfte erteilen will, kann man sie wohl kaum als Hexe beschuldigen«, wagte sich Jonathan vor. »Ihr könnt doch nicht einfach umherstolzieren und alte arme Frauen der Hexerei bezichtigen«, setzte er fort und die bereits erwähnte Instanz in Jonathans Kopf, die soeben aus der Ohnmacht erwacht war, fing sofort wieder an hektisch mit den Warnflaggen zu wedeln. »Sagt mir, findet Ihr wirklich, dass diese Frau aussieht wie eine Hexe?«. Das war zu viel für die Instanz. Sie erlitt einen schweren Weinkrampf.
    Alle Blicke richteten sich auf die alte Frau, die immer noch auf dem Tisch lag und sich nun mühsam mit den Ellenbogen hochstemmte. Die Dame mit dem durchaus freundlichen Gesicht lächelte Jonathan dankbar an. Da Giles das heiß-kalt Spiel bereits durch hatte, entschied sich sein Körper nun für Taubheit. Das war ja auch immer ganz schön. Denn die Alte war, um es kurz zu machen, rein äußerlich die perfekte Hexe.
    Hätte Jonathan sechshundert Jahre später gelebt, wäre dies das Antlitz gewesen, das er auf einem Hochglanz-Hexenmagazin hätte bewundern können – und zwar jede Woche, denn dieses Portrait mit den grauen, wirren Haaren, dem faltigen, aschfahlen Gesicht und den schwarzen stechenden Augen war die Personifizierung tausendjährigen Hexenglaubens.
    Jonathan hätte laut aufheulen können. Nun musste er schnell handeln: Die Instanz in seinem Kopf ahnte, was kommen würde, tupfte sich schnell die Tränen ab und bäumte sich zu einem letzten Rettungsversuch auf. Ein Schwall von Gefühlen und Vorahnungen durchflutete Jonathans Körper, sein Magen, sein Bauch, sein Kopf. Alle Körperteile wollten ihn warnen, auf eine seltsame und undefinierbare Weise, aber doch mit einem Tenor, der mehr oder weniger auf die folgende, nicht sonderlich romantische Botschaft hinauslief: Halt verdammt noch eins dein dämliches Maul, Arschloch.
    Aber es war zu spät.
    »Sagt mir, gute Frau, ihr seid doch keine Hexe?«, fragte Jonathan rhetorisch. Die Miene der Alten hellte sich auf. »Natürlich bin ich eine Hexe, mein Junge«, antworte das Miststück glucksend. Jonathan schürzte die Lippen und nickte. Bernard lachte. Seine Leibgarde grölte.
    Jonathan hatte eine wichtige Lektion erhalten, auch wenn er momentan noch nicht wusste, worum es darin genau ging.
    Bernard hatte schnell genug von der Alten. Die Tatsache, dass sich Jonathan dermaßen lächerlich gemacht hatte, schien den Herzog für seinen Ärger zu entschädigen, zumal sich später herausstellte, dass die sogenannte Hexe mit Wissen der Obrigkeit ihren Tätigkeiten nachging und sich nicht als Zauberkundige erwiesen hatte. Und nur das Zaubern war streng verboten und unter Strafe gestellt.
    In Unwissenheit von Jonathans Fähigkeiten bestand der Herzog jedoch auf einem Zweikampf, der auf ausdrückliche Anweisung Sophias hin aber nur mit stumpfen Waffen ausgeführt werden durfte und noch am späten Nachmittag stattfinden sollte.
    *
    Klank, klonk, bamm.
    »Dix-neuf«, quäkte der Schreiber und kündigte damit Jonathans neunzehnten Pluspunkt an. Einige wenige Zuschauer jubelten, die meisten jedoch grummelten nur. Es war Jonathan ein Rätsel. Der Herzog hatte nicht den Hauch einer Chance auf den Sieg, war jähzornig und hochnäsig. Hässlicher Drecksack traf es recht gut, befand Jonathan.
    Drecksack atmete tief durch und funkelte Jonathan wütend an. Dann setzte er zu einer neuen Attacke an. Jonathan erkannte schnell, dass es sich um das gleiche Muster wie immer handelte. Zwei schnelle Angriffe, ein

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