Sophia oder Krieg auf See
begeistert. Claas nickte lachend. »Macht euch bereit zum Angriff, Männer!«
20 Die Abendsonne hatte fürchterlich gute Laune und schien mit Freuden auf das weite, hügelige Land mit den beiden darüber jagenden Pferden.
Sophia und Jonathan klammerten sich lachend an ihre Tiere und versuchten sich gegenseitig den Rang abzulaufen. Die Herzogin war eine fantastische Reiterin und ihr kräftiger Rappe ging bald zwei Längen in Führung.
Wälder, grüne Hügel, bunte Felder, kleine Bäche und eine Unzahl von kleinen und größeren Seen säumten den Weg. Menschen waren weit und breit nicht auszumachen. Sophias Rappe sprang über einen kleinen Bach und fetzte einen mit Wildblumen bewachsenen Hügel hinauf, auf dessen hoher Kuppe ein großer alter Steinturm thronte. Jonathan trieb sein Pferd an, in der Hoffnung Sophia noch vor Erreichen des Turmes einzuholen, aber es war aussichtslos.
»Ho!«, schrie Sophia und brachte ihr pechschwarzes Tier vor dem Turm zum Stehen. Jonathan tat es ihr einen Augenblick später nach. »Der Löwenturm«, las Sophia die Frage von Jonathans Augen, »der Löwe hat ihn bauen lassen, vor bald zweihundert Jahren«. Jonathan sah die verwitterten, mächtigen Steinblöcke hinauf zur Plattform an der Spitze des Turmes, der vielleicht acht Mannslängen hoch sein mochte.
»Der Löwe?«, erkundigte sich Jonathan und stieg von seinem Pferd herab. »Heinrich der Löwe«, erklärte Sophia, »er war ein mächtiger Welfenprinz, der hier einst herrschte. Der Schwager des Richard Löwenherz«. Jonathan zuckte die Schultern. Von Geschichte hatte er noch weniger Ahnung als von Politik.
Jonathan legte seine Hand auf die kühlen Sandsteinquader der Turmmauer und schritt langsam um das Bauwerk herum. »Auf der anderen Seite ist ein Eingang«, wies Sophia den Weg und stieg ebenfalls von ihrem Pferd herunter.
Das Eingangstor selbst war nicht mehr existent. Nur ein paar rostige, verbogene Scharniere erinnerten noch daran, dass die gähnende schwarze Öffnung mal mit einer schweren Holztür gesichert war. Jonathan stand im Torbogen und seine Augen versuchten sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. »Komm schon«, stupste ihn Sophia an trat in die Finsternis. Jonathan folgte ihr.
Kichernd und praktisch blind stiegen beide die steinerne Wendeltreppe hinauf. Ein paar Mal ließen kleine Öffnungen in der Turmmauer das Tageslicht hinein, aber das reichte für kaum mehr, als für ein paar Stufen. Sophia hatte die Führung übernommen und Jonathan versuchte die Herzogin zu sichern und sich selbst auf Abstand zu halten, in dem er seine Hände auf ihre Hüften legte. Irgendetwas Flatterndes sauste in seiner Nachtruhe gestört über ihre Köpfe und Jonathan als auch Sophia kreischten beide belustigt um die Wette.
Die Wendeltreppe endete schließlich an einem Ausgang der zu einer Plattform führte. Mit der Plattform, die außen von einer Schutzmauer und innen von der runden Mauer des Treppenhauses eingegrenzt war, kam auch das Tageslicht wieder. Ein Teil der äußeren Schutzmauer war eingestürzt, aber auch die intakten Abschnitte waren nicht höher als zwei oder drei Fuß.
Der Ausblick war überwältigend. Im Westen war in weiter Ferne das Schloss zu sehen und dahinter neigte sich die Sonne nun so stark dem Horizont, dass die wenigen Wolken glutrot zu leuchten begannen.
Sophia fand, dieser Abend war einfach zu schön, um nicht zu singen, und sollte Jonathan das zum Anlass nehmen, sich vom Turm zu stürzen, würde sie ihn schon noch zurückhalten können.
Unter den Linden,
An der Heide,
Groß Ihr Bette dort maß.
Da mögt Ihr finden,
Schöne Beide,
Im Bette aus Blumen und Gras.
Vor dem Walde in einem Tal,
Ach, so schön sang die Nachtigall 93 .
Jonathan wollte nicht springen und sah Sophia mit einem warmen Lächeln an.
»Magst du Musik?«, wollte die Herzogin schließlich wissen. Jonathan nickte. Sophia nahm seine Hand. »Ich erwarte Mönche aus Burgund zu Gast, noch in diesem Sommer. Du musst sie singen hören, Jonathan«. »Das würde ich so gerne. Wenn ich dann noch hier bin«, antwortete Jonathan und verdrehte innerlich die Augen, denn er wusste, dass er gerade dabei war Feuer für ein Problemgespräch anzufachen. Und er hatte überhaupt keine Lust auf Problemgespräche.
»Wo willst du hingehen?«, ließ sich Sophia ihre Erregung nicht anmerken. »Ich weiß es nicht, Sophia«, quälte sich Jonathan. Ihm selbst missfiel die Ungewissheit über seine Zukunft am meisten.
»Ich will ein Ritter werden und meinen
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