Sophia oder Krieg auf See
Liga, niemand ging ihr so sehr auf die Nerven. Na ja, gut, Sture. Oh Gott, Sture! Sven Sture!
»Glaubt Ihr denn wirklich, Eure Hoheit«, quäkte Herzog Jonsson weiter und fuchtelte mit der Schriftrolle, die einen Entwurf der Unionsstatuten enthielt, »dass wir einer nordischen Union unter Eurer Führung zustimmen können, in der wir unsere Machtbasis verlieren?«. Die Unmittelbarkeit dieser Aussage war dann doch atemberaubend und einige Vertreter des Reichsrates blickten beschämt zu Boden. Margarete war besonnen genug, sich ob dieser Frechheit Jonssons zurückzuhalten. Sie lächelte und dieses Mal hatte sie einen Grund. Wenn es eine Möglichkeit gab gegen den schwedischen Adel vorzugehen, dann nur, indem sie ihn spaltete. Die Königin sah in die Runde und merkte sich ganz genau, wer da verlegen auf die eigenen Hände starrte und wer sie trotzig angrinste.
»Wie wollt Ihr denn über eine Union in dieser Größe herrschen, Eure Großmächtigkeit«, setzte Jonsson fort, »wenn Ihr nicht einmal mit Sture auf Gotland fertig werdet?«. Jonsson legte die Schriftrolle auf den Tisch und setzte sich.
»Ihr habt Eure Position klar dargestellt, werter Herzog«, begann die Königin, aber ihre erwartete Rede blieb aus. Margarete erhob sich und die Männer des Reichsrates standen protokollgemäß auf. »Lasst meine Taten Eure Antworten sein«, gab sie laut der Runde zu verstehen, lächelte, drehte sich um und verließ die verblüffte Versammlung.
23 Es war unglaublich erleichternd, dass es dermaßen bewegende Momente in seinem Dasein geben konnte, nach all dem Erlebten. Tatsächlich war das Ereignis so bewegend, dass noch ein bisschen mehr Bewegung oben drauf, und Jonathans Hirn wäre gezwungen gewesen, die eigenen Hirndrüsen standrechtlich zu erdrosseln, damit bloß kein weiteres Glückshormon mehr in den bereits absolut gesättigten Blutkreislauf hätte fließen können. Anders gesagt, hätte sich Jonathan in diesem Augenblick die Pulsadern aufgeschnitten, was sicherlich recht kontraproduktiv gewesen wäre, hätte man lediglich eine goldleuchtende, himmlische Flüssigkeit aus den Blutgefäßen treten sehen, möglicherweise gefolgt von einer großen Herde winziger, rosafarbener Einhörner.
Die zwanzig Mönche aus Burgund sangen und die Anzahl der unterschiedlichen Töne und Stimmlagen war so überwältigend, dass Jonathan glaubte hunderten von Sängern gegenüber zu stehen. So perfekt und filigran setzten sich die einzelnen Klänge zu einem unfassbaren Ganzen zusammen, dass Ritter Giles zum ersten Mal in seinem Leben eine Gottesnähe zu spüren glaubte, die ihm bisher fremd geblieben war.
Ein Schauer krabbelte über Jonathans Körper, fand nicht so recht einen Weg und kroch deshalb schnuppernd auf des Ritters Rücken umher. Schließlich war auch das letzte kleine Härchen aufgescheucht und der Schauer verebbte irgendwo auf Jonathans Fußsohlen. Farbiges Licht flutete durch die bunten Fenster der Kirche und Jonathan erwartete jeden Augenblick, dass breit grinsende Engel das Hauptschiff des turmlosen Doms hinabschweben würden.
Er saß in der ersten Reihe direkt neben Sophia und neben der Creme des hiesigen Hofes. Dieser Umstand brachte jede Menge Komplikationen mit sich. Jonathan war der einzige, offizielle, persönliche Leibritter der Herzogin, nicht nur ausgestattet mit einem vermutlich aus der Luft gegriffenen Titel und sehr realer Kleidung, sondern auch mit einem hübschen Salär 96 , das der einen oder anderen Hofschranze 97 die Zornesröte ins Gesicht trieb.
Bei Hofe gebot es die Etikette sich im Umkreis des Herzogs oder der Herzogin dezent im Hintergrund zu halten, aber manchmal gab es keinen geeigneten Hintergrund. Dann nutzte Sophia die Gelegenheit, Jonathan auch in aller Öffentlichkeit nahe zu sein.
Jonathan drehte die Augen so weit wie möglich zur Seite, ohne nennenswert den Kopf zu bewegen und somit Aufmerksamkeit zu erregen. Sophia saß neben ihm und lauschte mit halb geschlossenen Augen dem Gesang.
Sie war so schön! Mein Gott, war sie schön. Ja, auch die Musik.
Sophias Hand lag auf ihrem Oberschenkel und schob sich zur Seite. Jonathan schickte seine eigene Hand auf Erkundungstour, aber er wagte nicht die letzte Fingerbreite zwischen ihr und ihm zu überbrücken.
Der junge Giles fürchtete schon, dass die Muskeln, die seine Augäpfel zur Seite zwangen, jeden Moment protestierend die Arbeit einstellen würden, so sehr schmerzte der Versuch unauffällig zur Seite in ihre Richtung zu blicken. Sophias
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