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Sophia oder Krieg auf See

Sophia oder Krieg auf See

Titel: Sophia oder Krieg auf See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Braband
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zu ignorieren.
    »Könnte ich auch ein wenig Wasser haben?«, bat Corin und versuchte seiner Stimme Wärme und Freundlichkeit zu verleihen, indem er sich vorstellte, alle Kaninchen im Umkreis der Stadt würden sich gerade seufzend in die Arme fallen und sich gegenseitig die kleinen Stupsnäschen rubbeln.
    Charlotte donnerte den Holzkelch in den Eimer und schob das Gefäß auf der Mauer in Corins Richtung. »Hier«, raunzte sie und zog Corins Kaninchen das Fell über die Ohren und die kleinen Stupsnäschen. Corin machte zwei Schritte um den Brunnen herum und griff nach dem Holzkelch. Er trank, wagte es aber nicht Charlotte anzusehen.
    »Übrigens, ich bin Corin«, machte er sich schließlich zum wiederholten Male bekannt. Charlotte sah ihn fassungslos an. »Daran kann ich mich durchaus erinnern«. Charlotte schien ihn wirklich für einen Vollidioten zu halten, und das mochte daran liegen, dass Corin sich gerade selbst wie einer fühlte.
    »Hey, Corin, komm her und hilf mir«, nörgelte Broklas aus der Ferne und hatte offensichtlich wenig Verständnis für Corins hormonelle Zwänge. Corin selbst hatte eigentlich kein Verständnis dafür und so trottete er wieder zu seinem Lehrer zurück. Als er sich kurz umdrehte, sah Corin, dass Charlotte wieder auf ihr Pferd stieg.
    »Warum machst du das alles, Broklas?«, erkundigte sich Corin, während sie gemeinsam eine Metalltafel auf das hölzerne Dreibein setzten. »Es ist ein Winkelmesser«, erklärte Broklas das seltsame Gerät, »auf Basis eines Astrolabs«. »Na, das weiß ich ja. Aber warum machst du das?«. »Warum?«, musste Broklas die Frage ungläubig wiederholen, war dann aber plötzlich Feuer und Flamme.
    »Ich arbeite an einer Theorie. Und am Ende dieser Theorie steht eine noch viel größere Theorie, die unser Weltbild auf den Kopf stellen wird, Corin, buchstäblich auf den Kopf. Wir lernen, wie der Himmel funktioniert!«. Corin sah seinen graubärtigen Mentor lange an. Die Augen des Schotten leuchteten. »Ich dachte immer«, warf Corin leise ein und lächelte, »das weiß nur der liebe Gott«.
    Broklas lächelte zurück. »Der liebe Gott«, seufzte er und hob die Augenbrauen, »der liebe Gott. Die Leute würden gut daran tun, wenn sie nicht alles dem lieben Gott überlassen würden«.

25 Das Portrait war jenseits einer gehörigen Frechheit. Es war einfach unglaublich. Eine Zumutung. Das Gekritzel auf dem kleinen Stück Pergament zeigte mehr Ähnlichkeit mit einem leprakranken Vampir, dem man fünf hochschwangere Igeldamen um den Kopf gebunden hatte, so zerzaust und unförmig wirkte die gemalte Gestalt.
    Jonathan kicherte. Er nahm ein weiteres Mal Maß, indem er an dem Federkiel in seiner Hand vorbei auf Sophias Gesicht lugte. Die Haare, dachte sich Jonathan, die Haare stimmen noch nicht so ganz. Eifrig schwang er die Gänsefeder und zeichnete, was mit etwas Glück unter dem Begriff Sechster Igel des Schreckens in die Annalen 98 grotesker Unfälle in der Porträtmalerei eingehen würde.
    Sophia kritzelte derweil konzentriert auf ihrem eigenen Stückchen Pergament. Noch drei lange Schwünge für Jonathans Haare – fertig. »Los, zeigen«, forderte die Herzogin Jonathan auf und hüpfte aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her. »Du zuerst«, erwiderte Jonathan grinsend und hielt sich das Pergament schützend vor die Brust. Sophia zögerte einen Augenblick, dann gab sie ihr Werk preis.
    »Nur drei Haare?«, prustete Jonathan los, als er das Bild sah. Die Zeichnung bestand nur aus ein paar Strichen, aber die Proportionen waren gar nicht so schlecht getroffen. Zumindest konnte man erkennen, dass es sich entweder um ein menschliches Wesen oder einen Auerochsen mit ausgerenktem Unterkiefer handeln musste, was man von Jonathans Gekritzel nicht gerade behaupten konnte. Jonathan drehte seine Zeichnung um und Sophia fiel die Kinnlade herunter.
    Einen Augenblick später lagen Sophia und Jonathan gackernd und prustend auf dem Boden. Immer wenn sie dabei waren sich einigermaßen zu beruhigen, sahen sie wieder das Monster in Jonathans Zeichnung und wurden von weiteren Lachkrämpfen geschüttelt.
    Es klopfte an der Tür. Das Lachen war augenblicklich vorbei. Die Herzogin fluchte leise und sauste zum nahen Balkon. Sie warf sich in einen großen Holzstuhl, schnappte sich ein auf dem Boden liegendes Buch und blätterte hektisch eine Seite auf. Jonathan machte zwei Sätze an die gegenüberliegende Wand und postierte sich diszipliniert, wie man es von einem Leibritter erwarten

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