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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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den Rückzug von der Genfer Abrüstungskonferenz veranlasste, schickte ihm der Pfarrernotbund ein Telegramm: »Wir danken für die mannhafte Tat und das klare Wort, die Deutschlands Ehre wahren.« Sie gelobten dem NS-Kanzler »getreue Gefolgschaft und fürbittendes Gebet«.
    Wieder einen knappen Monat später, am 12. November 1933, zogen in aller Frühe die Hitlerjugend und andere NS-Verbände durch Ulms Straßen und mahnten mit Sprechchören und Trommeln die Bürger an ihre »Wahlpflicht«. Wie man zu wählen hatte, sagten die Plakate an den Häuserwänden: »Ulm hat keine Volksverräter, es stimmt mit ›ja‹«. Die »Reichstagswahl«, um die es hier ging, war eine Farce. Es gab nur eine »Liste des Führers« mit NSDAP-Kandidaten. Noch wichtiger war den Nationalsozialisten der andere Stimmzettel, auf dem man für oder gegen den Austritt aus dem Völkerbund stimmte. Der Wahlkampf war so angelegt, dass es vor allem um die Zustimmung zur Person des »Führers« ging, wie auch die nicht-nationalsozialistische Presse zunehmend Adolf Hitler bezeichnete. In Ulm stimmten 92,8 Prozent für die »Liste des Führers« und 95,7 Prozent für den Austritt aus dem Völkerbund. So wenig demokratisch beide Abstimmungen waren: Eine Mehrheit der Deutschen hat zweifellos bei dieser Stimmabgabe aus Überzeugung für Hitler und seine Politik gestimmt.
    Robert Scholl gehörte nicht zur dieser Mehrheit, und er verschwieg es nicht, weder zu Hause vor seinen Kindern noch bei Kontakten mit Bekannten und Freunden. An einem Sonntagnachmittag im Herbst 1933 bekommt Familie Scholl Besuch von Richard Scheringer, neunundzwanzig Jahre alt, und seiner Lebensgefährtin Marianne Heisch. Lina Scholl hatte sich mit Mariannes Mutter angefreundet, Werner, der jüngste Scholl, in der Schule mit ihrem Bruder Hermann. Richard Scheringer war einer der drei Ulmer Offiziere, die in der Reichswehr für die NSDAP geworben hatten und deshalb 1929 im »Ulmer Reichswehr-Prozess« zu Festungshaft verurteilt worden war. Es war der Prozess, in dem Adolf Hitler, als Zeuge geladen, einen heiligen Eid schwor, dass die Nationalsozialisten nur den legalen Weg zur Macht nehmen würden. 1932 war Richard Scheringer, von der doppelbödigen NS-Strategie enttäuscht, in die KPD eingetreten. Im Sommer 1933 aus der Haft nach Ulm entlassen, versucht er im Gespräch mit Robert Scholl, Klarheit über die politische Lage und seine eigene Zukunft zu bekommen.
    In seiner Autobiografie schildert Scheringer seinen Besuch. Robert Scholl zeigte sich an diesem Sonntagnachmittag gegenüber den Besuchern »empört über den Nationalsozialismus«. Die »Nazis seien ›eine Rotte von Verbrechern‹«, zitiert ihn Richard Scheringer und charakterisiert ihn als »zivilen, streng nach der Legalität orientierten Menschen, dem Machtfragen nie geläufig gewesen sind«. Das Gespräch kreist um die Frage, wie man »diesen Hitler wegbringen soll«. Auch Robert Scholl ist ratlos: »Ich weiß es auch nicht, … wie Deutschland aus diesem nationalsozialistischen Abenteuer wieder herauskommt. Ich weiß nur, dass wir heraus müssen, und zwar bald. Da kommt es gar nicht darauf an, wo die Kräfte herkommen, die dagegen sind, es kommt nur darauf an, dass man gemeinsam Erfolg hat. Über alles andere kann man sich später auseinandersetzen.« Das ist nicht nur so dahingesagt. Als Richard Scheringer wenig später mit seiner Frau in die Nähe von Ingolstadt zieht und dort als Bauer den Dürrnhof bewirtschaftet, bleiben die freundschaftlichen Kontakte zu den Scholls bestehen.
    Im Oktober 1933 tritt Hans Scholl innerhalb der HJ als Gruppen-Führer ins Jungvolk ein, eine Unterorganisation der Hitlerjugend für die Zehn- bis Vierzehnjährigen. Das Jungvolk ist besonders beliebt, hat den größten Zulauf innerhalb der HJ und bietet den Jungen, die Verantwortung übernehmen möchten, schnellste Chancen, in Führungspositionen aufzurücken. Werner, im November 1933 elf Jahre alt geworden, ist inzwischen ebenfalls Hitlerjunge, da seine Bündische Jugendgruppe aus der Zeit der Weimarer Republik sich im Sommer in die Reihen der HJ eingeordnet hat. Die dreizehnjährige Liesl, von allen Geschwistern bescheiden im Hintergrund, ist nach Inge Scholl ebenfalls in den Bund Deutscher Mädel eingetreten.
    Nur Sophie Scholl ist noch »frei«, als sich das Jahr 1933 dem Ende zuneigt. Ein Jahr, angefüllt mit Veränderung wie keines zuvor im Leben der Zwölfjährigen – was die Welt draußen betrifft und ebenso die Familie im

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