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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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die alle Scholl-Geschwister umtrieb, und wer ein überzeugendes Vorbild entdeckte, an dem man sich ausrichten konnte, nachdem die ideologischen Vorgaben der letzten Jahre brüchig wurden, ließ die anderen daran teilhaben.
    Kaum zurück in der Kaserne, schrieb Hans Scholl seiner Schwester Inge im Juni von einer solchen Entdeckung: »Gestern habe ich mir ein Buch über Renée Sintenis gekauft. Ich will es Lisa schenken. Ich las es in einem Atemzug zu Ende. Dieses Werk kann ich Dir nur empfehlen. Es werden hier Anschauungen über die moderne Frau ausgelegt, die ganz herrlich sind.« Der Brief, den Sophie Scholl eine Woche später an Inge Scholl schreibt, zeigt, dass die Bildhauerin Sintenis schon über die Pfingsttage Gesprächsstoff für die Geschwister war. Sophie beginnt mit Selbstkritik: »Ich vergeude meine Zeit noch in jugendlichen Vergnügungen. Aber ich zeichne öfters mit Erika, wir wollen noch viel schaffen diesen Sommer. Ich schaffe eben mal zu, hauptsächlich weil ich es furchtbar gern tue, nicht weil ich es notwendig tun muss. Vielleicht kommt dies mal, vielleicht auch nicht.« Nahtlos geht es weiter: »Ich habe gestern eine Lebensbeschreibung der Renée Sintenis gelesen, es ist fabelhaft, wie sie sich zu ihrem Beruf durchgekämpft hat, weil sich ihr viele äußere Schwierigkeiten in den Weg gestellt haben, mit dem Geld u. s. w.«
    Als Sophie Scholl sich für die Tierbildhauerin Renée Sintenis begeisterte, galt deren Arbeit als »entartet«. 1934 war die Künstlerin gezwungen worden, aus der Berliner Akademie der Schönen Künste auszutreten, in die sie 1931 als erste Bildhauerin gewählt worden war. Aus einer bürgerlichen Familie ausgebrochen, hatte die Fünfundzwanzigjährige um 1913 erste Erfolge, Rilke gehört zu ihren Entdeckern und Förderern. Im Berlin der zwanziger Jahre gelang ihr der künstlerische Durchbruch mit Tierplastiken und Skulpturen von Menschen in Bewegung, Sportler, Tänzer. Renée Sintenis – groß, sportlich, Kurzhaarschnitt – gehörte zur alternativen Berliner Kunstszene; sie fiel auf, wenn sie am Morgen im Tiergarten ausritt. Hanna Kiel, deren Biografie über Renée Sintenis 1935 erschien, schildert sie als einen neuen, modernen Frauentyp: »Die bildhauerisch schöpferische Frau gehört allein unserer Zeit, der Gegenwart an. … Erst eine umwälzend moderne Zeit voll wirtschaftlicher Not holte die Frau aus ihrem Heim und zwang sie in Berufe, und jetzt erst musste sie sich beweisen, konnte ihre Fähigkeiten entdecken und entwickeln … Fern von ihrem umhegten Bezirk sah sie sich einer Welt gegenüber, mit der es zu kämpfen galt, und nicht wenige versuchten es, diese Welt durch das Mittel der künstlerischen Form zu erkennen und zu erfassen.« Sich über ein künstlerisches Talent kämpferisch die Welt aneignen, selbständig und selbstbewusst: Es ist eine Möglichkeit, die an Sophie Scholls Lebenshorizont auftaucht.
    Einen Tag nachdem der Brief an Inge geschrieben wurde, kommt Fritz Hartnagel zu Besuch nach Ulm, trifft sich mit Sophie Scholl und den Geschwistern zu einem Spaziergang. Wie die Stimmung zwischen Sophie und Fritz ist, verraten Sophie Scholls Briefe an die ältere Schwester nicht. Auf dezente Weise erfahren wir darüber ein wenig durch Lina Scholl, als sie ihrer Tochter Inge am 13. Juli nach Lesum schreibt: »Sonntag war er da. Fritz und die 3 Scholls waren in Hartnagels Garten und aßen Beeren genug. Fritz hat eine schwere Zeit – er muss seinen Chef vertreten … Deshalb ist er so schweigsam. Sofie grämte sich etwas ab, die Fahrt wird ihr in allem wohltun.« Auch wenn Sophie Scholl den Sommer allein oder mit der Freundin Erika genießt und die Zeit mit eigenen Aktivitäten füllt, ihre Gefühle für Fritz Hartnagel haben sich nicht verflüchtigt.
    Die Fahrt wird ihr wohltun. Am 19. Mai taucht in einem Brief von Sophie Scholl an Lisa Remppis die Idee auf, in den Sommerferien mit Inge, die ohnehin vorerst im Norden gebunden ist, nach Langeoog oder Helgoland zu fahren. »Da musst du mitkommen«, fordert Sophie die Freundin auf. Am 16. Juni hat die Idee konkrete Formen angenommen: »Liebe Inge, mit der Großfahrt muss es unbedingt was werden, wenn Vater auch bis jetzt nein sagt. Ich spare jeden Pfennig, und habe hier jetzt 19.49 RM ( Reichsmark ). Ich krieg aber mindestens 30 RM zusammen bis zur Fahrt.« Robert Scholl gab schließlich seine Zustimmung und Geld für die Reisekosten. Der Vater von Annelies Kammerer erklärte sich bereit, die jungen Leute mit seinem

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