Sophie und der feurige Sizilianer
die typische Pfirsichfrische von Jugendlichkeit auf.
Doch, wie Marco aus eigener bitterer Erfahrung wusste, wäre es ein schwerer Fehler, Jugend automatisch mit Unschuld gleichzusetzen. Allegra war nicht viel älter als dieses Mädchen gewesen, als sie sich kennenlernten. Doch unter ihrem hinreißend unschuldigen Äußeren verbarg sich ein durch und durch verdorbener Charakter – was er leider viel zu spät begriffen hatte …
4. KAPITEL
Sophie öffnete versuchsweise ihre Augen und blinzelte in die helle Sonne, die durch die raumhohe Fensterfront hereinschien. Immer noch gefangen in einem wundervollen Traum, der sie in ihr geliebtes Zuhause entführt hatte, versuchte sie, die Benommenheit abzuschütteln, die sie wie eine schwere Decke einhüllte.
Als ihr dämmerte, dass sie sich nicht wie erhofft im Pförtnerhaus auf Balfour Manor befand, seufzte sie enttäuscht.
Widerstrebend erinnerte sie sich daran, dass dies hier Palermo war, die Hauptstadt Siziliens. Dabei hatte sie immer noch den süßen Vanilleduft der ofenwarmen Scones in der Nase, die ihre Mutter so vortrefflich zu backen verstand. Sehnsüchtig sog sie ihn ganz tief ein, doch was sie roch war kein Teegebäck, sondern etwas, das ungleich herber und dennoch seltsam anziehend und betörend war.
Vorsichtig streckte sie die angezogenen Beine weit von sich und wackelte mit den Zehen, um das Taubheitsgefühl loszuwerden.
Marco, der gerade beschlossen hatte, seine Anwesenheit in aller Lautstärke kundzutun, stutzte und schloss den Mund wieder. Seine Besucherin mochte keine Modelschönheit sein, dennoch sah er seine erste, flüchtige Inspektion bestätigt. Ihre Beine, die offenbar nur sehr selten das Tageslicht sahen, wenn er den sehr hellen Hautton richtig interpretierte, waren tatsächlich überaus wohlgeformt.
Seine Neugier war geweckt. Ob ihre Haut am ganzen Körper so zart und fast durchscheinend aussah?
Sophie streckte sich ausgiebig. Grundgütiger! Wie lange habe ich geschlafen?
Der Steifheit ihrer Glieder nach zu urteilen, auf jeden Fall länger, als das obligatorische kleine Nickerchen dauerte. Wenn nun inzwischen Marco Speranza hier hereinmarschiert wäre und sie so gesehen hätte? Womöglich sogar schnarchend! Einen besseren Einstand kann man sich kaum vorstellen! dachte Sophie in einem Anflug von Selbstironie.
Mit einem herzhaften Gähnen reckte sie die Arme von sich und stieß gegen eine gläserne Kaffeekanne, die neben ihr auf einem flachen Tischchen stand. Unglücklicherweise fiel sie zu Boden, wo sie zerbrach und auf dem hellen Teppich neben gefährlich zackigen Scherben einen riesigen dunklen Fleck hinterließ.
„Oh nein!“, rief Sophie bestürzt und fluchte im nächsten Moment voller Frust: „Verflixt! Das musste ja passieren an so einem höllischen Tag! Aber warum immer mir?“
Entnervt ließ sie sich aus dem Sessel auf die Knie nieder und begann, die größten Scherben einzusammeln, wobei sie keinen besonders geschickten Eindruck machte. Darum beschloss Marco, dass nun endgültig der Moment gekommen war, um sich ins Geschehen einzubringen.
„Was?“ , rief Sophie erschrocken, als sie kräftige Finger um ihr Handgelenk spürte. Sie ließ die gezackte Scherbe wieder auf den nassen Teppich fallen. Im nächsten Moment fühlte sie sich auch schon ziemlich grob auf die Füße gezogen. Weit aufgerissene blaue Augen begegneten gletschergrünen, die sie so kalt musterten, dass sie unwillkürlich schauderte.
Und das nicht nur wegen des frostigen Blicks, sondern wegen des undefinierbaren Ausdrucks kritischer Verachtung, die Menschen wie sie von anderen Menschen zugeworfen bekamen, die einfach perfekt waren.
Oder sich zumindest dafür halten! dachte sie trotzig.
Dass Marco Speranza als sehr gut aussehend galt, wusste Sophie natürlich. Außerdem hatte sie es anhand des Fotos an der Pinnwand im Londoner Designstudio selbst überprüfen können. Aber weder jenes Foto noch die aussagekräftigeren Bilder in den Hochglanzmagazinen, die sie sich danach aus rein beruflichem Interesse gekauft hatte, hatten sie auf diese beunruhigende Liveversion des italienischen Tycoons vorbereit.
Vielleicht lag es auch an der rastlosen Vitalität, die dieses Musterexemplar eines Mannes ausstrahlte. Oder es war die unverkennbare Aura von Macht und ein gewisser Freibeutercharme, von dem Sophie bisher gar nicht gewusst hatte, wie so etwas hätte aussehen sollen.
Zum ersten Mal bekam sie eine Ahnung davon, was ihre Schwestern antrieb, sich immer wieder auf ein
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