Sophie und der feurige Sizilianer
entziehen, obwohl sie absolut nichts für Massenhysterie übrighatte.
„Wenn wir den Auftrag bekommen, sind wir die neue Nummer eins … die numero uno !“, hatte Amber mit glühendem Blick prophezeit, als sie das Team zusammenrief, um die ersten Entwürfe zu diskutieren, die ihren umwerfend attraktiven und ebenso anspruchsvollen Kunden möglichst überwältigen sollten.
Sophie hatte sich unauffällig dem Flipchart genähert, an dem neben den wichtigsten Daten auch ein Foto des sizilianischen Tycoons hing. Sie musste zugeben, dass Amber nicht übertrieben hatte. Der Mann sah sogar zu gut aus, um wahr zu sein.
Bildbearbeitung! dachte sie und musste sich ein Lächeln verkneifen. Seltsamerweise stimmte sie die Vorstellung heiter, dass auch der größte Adonis wahrscheinlich nicht ohne Retusche auskam.
Nachdem Amber ihr Team in einen Zustand enthusiastischen Überschwangs versetzt hatte, lächelte sie zufrieden und versprach: „Wir werden die uns gebotene einmalige Chance optimal nutzen.“
Nur Sophie, deren Rolle im Team darin bestand, so viel Tee zu kochen wie nötig und den Laufboten für alle zu spielen, blieb skeptisch. Natürlich hütete sie sich, ihre Zweifel laut anzumelden.
Schläfrig rutschte sie tiefer in die Kissen und zog die Bettdecke bis ans Kinn hoch.
„Wissen Sie, Sophie, als ich Sie das erste Mal gesehen habe, da habe ich gedacht …“
Sag es nicht! flehte Sophie innerlich und gähnte erneut.
In letzter Sekunde erkannte Amber offenbar, dass es ihrem Anliegen kaum dienlich sein konnte, allzu frei heraus zu sein. „Sie sind ein Gewinn für unsere Firma.“
„Danke.“
„Und ich bewundere aufrichtig Ihre Fähigkeit zum Multitasking … könnten Sie vielleicht schon mit Packen anfangen, während wir weitersprechen?“
Das reichte! „Hören Sie, Amber, ich lege jetzt auf und lache morgen über Ihren Scherz“, schlug Sophie ruhig vor.
„Nein, nicht auflegen! Mir ist absolut nicht zum Scherzen zumute!“, beeilte sich ihre Chefin zu versichern. „Ich hatte heute Nachmittag …“
„Einen Zahnarzttermin, ich weiß“, schnitt Sophie ihr das Wort ab. „Es stand im Kalender.“
„Nein! Der Termin war für eine Botox-Injektion und eine kleine Fettabsaugung an den Hüften … zumindest war das geplant, aber es ist schiefgelaufen. Ich habe allergisch auf die Narkose reagiert, und jetzt will man mich nicht aus der Klinik entlassen. Man hat mir sogar meine Kleider weggenommen!“
Während des widerstrebenden Geständnisses ihrer Chefin wurden Sophies Augen immer größer. „Beruhigen Sie sich, Amber, ich werde Vincent anrufen.“
„Glauben Sie, das hätte ich nicht längst versucht?“, kam es schrill zurück. „Er ist nach New York geflogen! Die Mutter seines Lebensgefährten hat einen Herzinfarkt erlitten, und er wollte ihn nicht allein reisen lassen.“
„Oh, wie schrecklich!“, rief Sophie, die Vincents Partner kannte, bestürzt aus. „Colin muss förmlich …“
„Vergessen Sie Colin!“, forderte Amber brutal. „Fangen Sie lieber endlich an zu packen!“
„Aber Sukie oder Emma könnten doch …“ Diesmal unterbrach Sophie sich selbst beim Gedanken an die beiden Frauen, deren Klatschtirade sie an ihrem ersten Tag belauscht hatte.
„Emma ist ein hoffnungsloser Fall“, erklärte ihre Chefin auch sofort.
Ah, das hast du also auch inzwischen gemerkt! registrierte Sophie zufrieden.
„Und Sukie ist von ihrem Freund abserviert worden und hat ihren Liebeskummer in Alkohol ertränkt. Während wir vorhin telefonierten, hing sie über der Toilettenschüssel! Und wenn Sie jetzt ‚ arme Sukie‘ sagen …“
Amber stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. „Ich stecke in der größten Klemme meines Lebens, und meine Zukunft hängt von einem Mädchen ab, das praktisches Schuhwerk trägt!“ Sie spie die Worte förmlich aus, besann sich aber gleich wieder. „Nichts für ungut“, schnüffelte sie.
Allein die Tatsache, dass Amber in der Lage war, Tränen zu vergießen, machte enormen Eindruck auf Sophie. „Dann meinen Sie es wirklich ernst, wenn Sie sagen, ich soll nach Sizilien fliegen und den Auftrag mit Mr Speranzas Büro abklären?“
„Nicht mit seinem Büro, mit ihm persönlich!“, korrigierte Amber. „Wir brauchen diesen Kontrakt unbedingt, Sophie. Wegen der steigenden Kreditzinsen musste ich bereits zwei feste Verträge stornieren, weil die Liquidität der Auftraggeber nicht gewährleistet ist.“
Mit dieser Eröffnung hatte Sophie zuallerletzt gerechnet. Sie
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