Sophies größte Sehnsucht
Mutter durchaus bewusst war und sich ungeliebt fühlte.
Verzweifelt suchte Sophie nach den richtigen Worten. Wie konnte sie dem Kind nur helfen?
„Weißt du, manchmal müssen die Eltern auseinandergehen, weil sie sich gegenseitig nicht mehr glücklich machen.“
„Ach, deswegen ruft Mom nicht mehr an, weil ich sie nicht mehr glücklich mache?“
„Aber nein, Liebes!“ Sophie rückte näher an Lucy heran und legte ganz instinktiv den Arm um sie, als würde sie einen ihrer kleinen Patienten trösten.
Als Lucy sich vertrauensvoll an sie kuschelte, traten Sophie Tränen in die Augen.
„Nur weil dein Dad und deine Mom nicht mehr zusammen sein wollen, heißt das nicht, dass sie dich nicht lieben. Manchmal kann man eben nur entweder mit Dad oder Mom zusammen sein.“
Lucy sah sie aus großen blauen Augen ernst an, und Sophie spürte, wie dieses kleine Mädchen ihr Herz berührte und es nicht mehr losließ. „Ich weiß das so genau, weil ich es selbst erlebt habe“, fügte sie hinzu.
„Ehrlich?“
Offenbar hatte sie die richtigen Worte gefunden, denn Lucy wirkte äußerst interessiert.
„Ja“, sagte sie, lehnte sich an die Wand und zog Lucy auf ihren Schoß. „Ich war noch ein Kind, aber ein bisschen älter als du. Eines Tages ist mein Vater weggezogen, und dann hatte ich nur noch meine Mom.“
Lucy schmiegte sich noch enger an sie.
Und mit dem kleinen Mädchen in den Armen wurde es ihr wieder ganz schwer ums Herz. Sie hatte das hier so sehr vermisst. Deswegen war sie Ärztin geworden – um Menschen zu helfen und vor allem Kindern, die sie so sehr liebte. Sie hatte immer einen guten Draht zu Kindern gehabt, deswegen hatte sie sich auf Kinderchirurgie spezialisiert. Hatte ihren Lebenssinn darin gefunden.
Würde sie jetzt nie mehr Kindern helfen können, weil ihr Anblick sie in ein Gefühlschaos stürzte? War das die Strafe für ihre furchtbare Entscheidung, ihr eigenes Kind aufzugeben?
„Ich verstehe, dass du deine Mom vermisst. Dafür hast du aber einen Dad, der dich über alles liebt. Du bist also eines der glücklichsten Mädchen der Welt!“
„Sollen wir noch mal zu den Pferden gehen?“
Zu Sophies Freude schien Lucys trübe Stimmung verflogen. Der plötzliche Themenwechsel zeigte, dass ihre Antwort die Kleine zufriedengestellt hatte.
„Das ist gute Idee!“
Lucy krabbelte von ihrem Schoß zur Eingangsluke und verschwand sekundenschnell aus dem Blickfeld. Doch Sophie blieb noch einen Moment sitzen. Jetzt wusste sie endlich, wovor sie solche Angst gehabt hatte. Nicht vor dem attraktiven Lark, nicht vor dem fürsorglichen Vater, sondern davor, ständig daran erinnert zu werden, was sie niemals haben konnte.
„Kommst du endlich?“, rief Lucy von unten.
Etwas ungelenker als die Kleine machte sie sich an den Abstieg.
Lark mochte sie bereits sehr, und jetzt begann sie sogar Lucy lieb zu gewinnen. Das ging alles viel zu schnell. Sie war noch lange nicht bereit dafür. Erst einmal musste sie ihr eigenes Leben in Ordnung bringen.
Lark sprang aus dem Wagen und rannte zum Haus. Obwohl er sich gleich zum Kauf der hübschen Zuchtstute entschlossen hatte und tatsächlich nur eine gute Stunde weg gewesen war, plagten ihn Gewissensbisse.
„Lucy?“
Er lief durchs Haus, aber niemand antwortete. Dann sah er die beiden auf der hinteren Terrasse sitzen, dampfende Becher in den Händen.
„Ganz schön kalt hier draußen“, begrüßte er sie.
Überrascht blickten sie auf, als hätten sie ihn noch gar nicht erwartet.
„Wir haben heiße Schokolade.“ Sophie hob ihren Becher. „Lucy ist nicht gern drinnen, hat sie erzählt.“
Zwar schien die Sonne, aber der Wind war eisig. Dennoch schien Lucy überglücklich zu sein.
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich hätte Lucy mitnehmen sollen.“
„Ach was, wir hatten viel Spaß.“
Lark spürte die Ambivalenz in Sophies Worten und blickte sie prüfend an. Ihre Augen hatten noch immer diesen traurigen Ausdruck, aber er sah auch Zärtlichkeit darin. Für Lucy?
„Dann gehe ich jetzt mal“, verkündete sie und stand auf.
Wenn es nach ihm ginge, hätte sie ruhig noch bleiben können.
„Wir sehen uns morgen Abend, nehme ich an?“
Sie warf Lucy, die ebenfalls aufgesprungen war, zum Abschied noch einen Blick zu. „Natürlich. Ich freu’ mich.“
Lark spürte einen übermächtigen Drang, sie zu berühren. Er streckte die Hand aus, legte sie auf ihren Arm. „Danke, dass Sie eingesprungen sind. Ich weiß das zu schätzen.“
Unter
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