Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
verjagen, weil sie an den Setzlingen knabberten, die ich gerade getränkt hatte, während die Erwachsenen vor ihren Höhlen saßen und lachten. Ich erinnere mich, daß auf der Erde Leute wie Mr. Mountjoy, der es völlig in Ordnung fand, daß wilde Engel in die Minen geschickt wurden, leidenschaftlich gegen ihre zivilisierten Vettern zu Felde zogen, die unsere Schiffe durch den Raum lotsten. »Es ist nicht richtig«, hatte er argumentiert und sich dabei über die Bar vom
Anker der Hoffnung
gebeugt, »daß sie ihnen auch vom Fahrpreis der menschlichen Passagiere anteilig ihre Heuer bezahlen.« Mr. Mountjoy hätte es sicher nicht witzig gefunden, zu sehen, wie der S.-Charles-Schwarm, wenn die Beute mager war, oder manchmal auch nur zum Spaß, zwanzig Meilen weit flog, um auf den Feldern der erbärmlichen Dörfer entlang des Gah-Kanals zu räubern.
    Auch verspotten und zanken sie sich immer gegenseitig. Sie sind alle so streitsüchtig. Ich denke, sie lieben die Zwietracht. Ich habe einmal gesehen, wie Thérèse und ihre Schwestern hinunterschossen und, ohne selbst fressen zu wollen, die
kiiri
vertrieben, die sich gerade an einem Löwen-Kadaver gütlich taten. Gabrielle und Luc flogen einmal zusammen los –durch den Canyon hinaus in die Wüste. Nach ein paar Tagen kam Luc allein zurück und hatte eine heftige Auseinandersetzung mit Gaston. Gabrielle kam erst viel später zurück, als die Monde schon am Himmel dahinrasten, und hatte ein Dutzend Schlangenhäute, an denen das Fleisch in Fetzen herunterhing, spiralförmig um jeden Arm und um die Hüften gewunden. Gabrielle stritt mit Luc und kämpfte mit ihm, wobei sie sich gegenseitig die Krallen in die Flügel schlugen und daran zerrten. Ich mochte mir das nicht ansehen und hätte sie ohnehin nicht trennen können. Das hatte ich lange Zeit zuvor aufgegeben.
    Danach ging Bruder Jude mir und dem Schwarm einige Tage aus dem Weg. Sein Englisch reichte nicht aus, um mir den Sachverhalt zu erklären, und ich konnte mit seinem Französisch nichts anfangen. Sogar der Schwarm war unglücklich. Ich fragte Thérèse, was los war, erhielt aber keine Erklärung, mit der ich etwas anfangen konnte. Sie schien tatsächlich nicht bemerken zu wollen, daß die Gabrielle, die zurückgekommen war, dieselbe wie vorher war. Manche Leute sind der Ansicht, die Engel glaubten, daß jeder, der den Schwarm für mehr als ein paar Tage verläßt, sich unwiederbringlich verändert hat. Doch die einzige Veränderung, die ich bei Gabrielle nach ihrer Rückkehr feststellen konnte, war die Tatsache, daß sie noch schlimmer stank als zuvor.
    Kurz nach diesem Besuch von Vater Matthieu träumte ich, eine Frau im Ordensgewand hätte mich in meiner Höhle besucht, eine der Wehklagenden Schwestern aus S. Sébastien. Sie hatte die Kapuze übergezogen, und so konnte ich im Halbschatten ihr Gesicht nicht erkennen. Sie sei in Gefahr, behauptete sie, und bat mich inständig, sie zu retten. Aus irgendeinem Grund hatte sie mich verärgert. Trotzdem versprach ich ihr zu helfen. Außerdem war sie so klein, daß ich sie zwischen Daumen und Zeigefinger hochheben konnte – ähnlich den Winzlingen in
Gullivers Reisen.
Ich erinnere mich noch, daß ich sie in den Mund steckte und hinunterschluckte. Danach erwachte ich und lachte über das Kitzeln, das ihre Stimme in meinem Magen verursachte.
    An diesem Morgen traf ich Gaston, und wir machten einen Ausflug. Ein Meteor war weiter oben im Canyon niedergegangen, und Gaston nahm mich mit, um ihn uns anzusehen. Wir blieben nicht lange dort, denn eine Schar französischer Beamter tauchte auf, um den Meteor zu besichtigen und ihre Fotos zu schießen, nachdem sie ihn mit ihren Meßbändern und kleinen Flaggen aufgeteilt hatten. Der Anblick der Leute machte Gaston nervös – und ich befürchtete immer, wieder eingefangen und nach Hause oder in eine andere fürchterliche Einrichtung abgeschoben zu werden. Daher flog er mich zu einem Gipfel ein paar Meilen weiter weg. Dort saß ich nun auf seinem riesigen Knie, eingehüllt in seine breiten Flügel, um mich vor dem Wind zu schützen. Wir beobachteten die Erzfrachter, die schwerbeladen am Himmel dahinzogen. Ich versuchte ihn zum Sprechen zu bringen, aber er gab nur klagende Geräusche von sich und sang ein langsames, schwermütiges Lied, wobei er mich hin und her schaukelte wie eine menschliche Mutter, die ihr Baby in den Schlaf wiegt. Ich lachte und hüpfte auf und ab.
»Laisses-moi, Gaston«,
rief ich und tat so, als wolle ich ihm die

Weitere Kostenlose Bücher