Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
meinem Kopf hörte ich ein lautes Knirschen und Knacken. »Leg dich hin und ruh dich aus, Alter!« donnerte Bruno, und seine Stimme hallte laut von der Decke wider. Plötzlich erbebte der ganze Salon von einem gewaltigen Krachen. Ich fiel erneut aufs Gesicht, konnte mich aber aus Fortescues Griff befreien.
    Ich rollte mich zur Seite und sah nach hinten. Bruno hatte die Ketten losgerissen, und der riesige Kronleuchter war heruntergestürzt. In der Dunkelheit dachte ich für einen Moment, der Leuchter habe den alten Mann unter sich begraben, dachte, sein Gewicht habe ihn zerschmettert – aber er schob sich aus den Trümmern und machte sich wie ein mechanischer Skorpion wieder kampfbereit. Bruno, der rechtzeitig abgesprungen und in einiger Entfernung gelandet war, schien nun durch seine verzweifelte Strategie im Nachteil. Trotzdem rief er mir zu: »Er gehört mir!«
    Ich ignorierte seinen Ruf, stürzte mich wieder auf Fortescue und stach wild auf seine großen weißen Augen und seine langen Zähne ein. Mit einem Arm, der wie eine Angel durch die Luft schwirrte, schleuderte der alte Mann mich von sich und wehrte gleichzeitig Brunos wilde Attacken ab. Mir fiel wieder ein, daß der Kampf Mann gegen Mann Bruno nicht sonderlich lag. Wie oft hatte er das selbst gesagt! Er war der Meister des subtilen Hinterhalts, des mit Steinen gefüllten Taschentuchs, des unerwarteten Aufblitzens von Stahl an einem einsamen Ort.
    Ich zog die Beine an, sprang wieder auf und griff Fortescue aus dem toten Winkel an, als er nach Brunos wehendem Haar griff und ihm in den Hals stechen wollte. Bruno parierte den Stoß, wirbelte herum und tanzte dabei einen verrückten Fandango. Er mußte verletzt worden sein, denn Blut spritzte umher.
    Ich schaute auf die abscheuliche Gestalt von Lord Lychworthys Diener und mußte unwillkürlich an den tausendarmigen Hindu-Dämon meiner Kindheit denken. Wie hatte er mich gequält. Ich war voller Furcht durch die Hütte gekrochen und hatte mich unter dem Wasserbecken versteckt, wenn die großen Schiffe über das Dach flogen. Und ausgerechnet in diesem Moment fragte ich mich, was aus dem furchtsamen kleinen Mädchen geworden war – und was aus dem waghalsigen, schwitzenden, messerschwingenden kleinen Kobold, in den ich mich hier verwandelt hatte, werden würde. Nichts – das war es, was ich erwartete. Ich erwartete, im nächsten Moment in einer Woge aus scharlachrotem Schmerz ausgelöscht zu werden. Ich schlug einen Haken und sprang beiseite. Damit hatte ich den alten Mann von Bruno weggelockt.
    Mit einem Aufschrei fuhr ich herum, als würde ich mit Johnny und Gertie Rodney Fangen spielen, und landete einen Stich. Die Klinge schlug einen langen, klaffenden Riß in den dürren Schenkel des Alten. Ich wußte, ich konnte ihm den Arm brechen, jeden seiner Arme – wenn ich einen zu fassen bekam.
    »Ein Wunder, daß Sie überhaupt Besucher haben«, rief ich und sprang hinter ihn, »wenn Sie allen einen solchen Empfang bereiten!«
    Mit einem krächzenden »Seine Lordschaft ist nicht zu Hause!« fuhr Fortescue herum und hieb auf uns beide ein. Bruno hatte sich schon weggerollt. Ich unterlief den Hieb, umrundete den Diener und versuchte zwischen die beiden zu gelangen. Inzwischen hatten wir uns ziemlich weit von den Kerzen entfernt, und unsere Klingen waren Lichtsplitter in den tiefen grünlichen Schatten. Ich atmete schwer und tänzelte von einem Fuß auf den anderen. Hinter meiner Schulter fühlte ich die Nähe einer anderen Person und wußte, daß Bruno hinter mir stand und genau wußte, wohin er sich bewegen mußte, auf welche Art wir beide den Kampf fortsetzen würden. Ich fintierte direkt auf Fortescues offene Brust, wo sein glitzerndes nacktes Herz schlug, und wich, als seine Armdeckung hochkam, nach links aus – aber Bruno war nicht dort.
    Die Kreatur machte einen Satz nach vorn. Ich wich zurück und fintierte erneut – aber schlecht und unkonzentriert. Eine Klinge ritzte mir den Handrücken dicht unter den Knöcheln. Im ersten Moment verspürte ich keinen Schmerz, dann aber einen gewaltigen. Ich trat nach dem schrecklichen Arm, der das Schwert fallen ließ, und sprang gerade noch rechtzeitig zurück, um nicht von dem anderen in zwei Hälften gespalten zu werden.
    »Bruno!« schrie ich, aber er war verschwunden – ich wußte nicht wohin. Hatte er mich doch schließlich im Stich gelassen?
    Die Wunde brannte wie Feuer, und mein Blut tropfte auf den Boden. Ich keuchte und schwitzte, war völlig erschöpft von dem

Weitere Kostenlose Bücher