Sophies Kurs
unter der Oberfläche lebt. Er richtete sie jetzt auf mich. »Ich wurde noch nicht Ihrem Begleiter vorgestellt, Sir«, meinte er in mildem Ton.
Unwillkürlich schloß sich meine Hand um den Knauf meines Messers.
»Fortescue, das ist Miss Farthing. Ich bin sicher, Sie haben schon von ihr gehört«, sagte Bruno grimmig. »Sophie, das ist Fortescue, der loyalste Diener seines Herrn!« Er versuchte, etwas Herzlichkeit in seine Stimme zu zwingen, doch in meinen Ohren klangen seine Worte eher wie eine Warnung. »Dort in diesem Raum befindet sich etwas, das für Miss Farthing äußerst wichtig ist. Seien Sie ein netter Mensch und lassen Sie uns vorbei.«
Doch Fortescue hörte nur das, was er hatte hören wollen – meinen Namen. »Miss Farthing«, sagte er dienstbeflissen und verbeugte sich leicht. »Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Er lehnte sich vor und hielt den Kerzenleuchter an mein Gesicht, um mich zu betrachten. Verwirrt zuckte ich zurück und blinzelte. Fortescues Körperfront lag im Schatten, doch bewegte sich da nicht etwas hinter seiner Brust?
Mit einem breiten Lächeln richtete sich der Diener des Earls auf. Oberhalb seines Magens beulte etwas seine Kleidung aus, als habe er dort ein Tier verborgen. Ich mußte sofort an die Hrad mit den Wieseln in ihren Bauchtaschen denken. Die Wölbung hier war größer als ein Wiesel und wuchs zusehends.
Sie knöpfte Fortescues Weste von innen auf!
Ich fuhr schreiend zurück und stieß gegen Bruno, der beinahe das Gleichgewicht verlor. Die Jacke öffnete sich, und darunter schossen zwei zusätzliche Hände hervor, streckten sich und schoben Fortescues Brust über fürchterlichen Armen auf, die sich teleskopartig verlängerten. Das Hemd riß, und die beiden Hälften seiner Brust klappten wie die Türen eines monströsen Ofens auf; nackte gelbe Rippen hingen an Scharnieren aus schwarzem Eisen. Das Innere war zu dunkel, um Genaueres erkennen zu können, aber es war naß und pulsierte wie bei jedem Menschen.
Die Arme waren aus gelben Knochen gefertigt. Die Spitzen der Knochen glänzten silbern im Kerzenschein. Die Hände sahen aus wie Mäusefallen aus Elfenbein, die man mit menschlichem Fleisch überzogen hat. Sie spannten sich und glitten aus der offenen Brust, rotierten zielgerichtet an den Handgelenken. Mit seinen natürlichen Händen schwenkte der alte Mann den Kerzenleuchter hin und her und blieb selbst in Deckung der seltsam violetten Schatten, die im Gang herumsprangen.
Glücklich summte er: »Möchten Sie nun näher treten, junger Herr?«
»Nein,
signore«,
rief Bruno und schob mich hinter sich, während er rückwärts den Gang hinuntertänzelte, »denn ich sehe da eine große Spinne vor mir, und Spinnen kann ich nun mal nicht ausstehen.«
Als ich mich hinter ihn duckte, spürte ich das Messer, das nutzlos in meinem Gürtel hing. Mir wurde übel, aber Bruno war jetzt in seinem Element – wie ein Hund, den man von der Kette gelassen hatte. Er bewegte sich schnell und geschickt. Nur meinetwegen war er der Kreatur vor uns noch nicht an die Kehle gegangen. Schnell ließ er seinen Blick durch den weiten Gang schweifen, sah die Glas-Schwingtüren und zerrte mich hinein. Dort stieß er mich hinter einer Statue in eine Ecke und bezog selbst Position zwischen mir und den Türflügeln, die immer noch hin und her pendelten.
Mein Verstand kämpfte mit dem Schrecken, und mir war schlecht. Trotz der Hitze im Haus fror ich. Ich drückte mich gegen den Sockel der Statue und machte mich so klein wie möglich. Die Türen kamen schließlich zur Ruhe, und eine bedrohliche Stille legte sich über den Raum. Undeutlich nahm ich die großen dunklen Holzpaneele wahr, die ringsum die Wände verkleideten. Sie bekamen plötzlich Farbe, wurden kaktusgrün und lederbraun, als der Kerzenschein aus der Halle darüber hinweghuschte.
Ich mochte mich nicht verstecken. Vorsichtig spähte ich hinter dem Sockel hervor. Mit leisem, unartikuliertem Keuchen – aus Angst und Protest – zog ich das Silbermesser aus dem Gürtel ...
Die Türen flogen auf und Fortescue stürmte herein, wobei er mit zwei gebogenen Kurzschwertern nach beiden Seiten hieb. »Ihre Lieblingswaffe, die Klinge –wenn ich mich recht erinnere, Sir«, rief er freudig erregt.
Ich duckte mich, doch Bruno sprang sofort unter den langen Knochenarmen hindurch und stieß mit dem Messer zu. Fortescue parierte mit einem Arm und drang mit beiden linken Händen gegen Bruno vor. Der andere künstliche Arm kam wie
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