Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
Raum hinauszuwirbeln, so aufgeregt und unsicher war ich. Er begleitete mich zu einem Platz auf einer der Bänke und befestigte, nachdem ich mich gesetzt hatte, den Anschnallgurt. Dabei hatte ich das Gefühl, daß seine Hände ein wenig zu lange daran herumnestelten. Dann nahm er meine Hand und küßte sie. Wie warm und fest sich seine Lippen anfühlten! Ich war überrascht.
    »Wir schätzen uns immer glücklich, einer jungen Dame aus der Verlegenheit zu helfen«, sagte er sanft in seinem schleppenden Tonfall.
    Damit verließ er mich, blieb nur kurz bei dem Schaffner stehen, um ihm vermutlich eine halbe Krone zuzustecken, damit er ein Auge auf mich hielt, und trottete schließlich über die Gangway davon. Ich folgte ihm mit den Blicken, konnte aber nicht erkennen, ob er irgendwo an seinem Körper ein Schwert mit sich trug. Wenn ja, dann konnte es nur ein sehr kleines gewesen sein.
    Viele Passagiere an Bord des Ballons schienen in Urlaubsstimmung zu sein. Sie redeten und scherzten laut miteinander. Neben mir saß eine weitere Frau ohne Begleitung, eine kleine Caeruleanerin, die ohne ihre Familie ziemlich verloren wirkte. Ein junger Gentleman führte eine Traube jener intelligenten Schwämme von Strachans Welt mit sich. Ein ältlicher Erdenbürger mit einem Seidenhut auf dem Kopf schien ihnen besonders zu gefallen, denn sie kletterten immer wieder die Rückenlehne seines Sitzes hoch, kuschelten sich an seinen Hals und summten leise. Der Herr war darüber sehr wütend, und ihr junger Begleiter, der in seiner Nadelstreifenhose und dem Morgenmantel sehr smart aussah, entschuldigte sich fortwährend bei ihm. Dazu muß ich sagen, daß alle Leute darüber lachten – und ich ebenfalls.
    Der Schaffner lachte nicht. Er war ein fetter, melancholischer Schwarzer in einer blaßgrünen Uniform, der das Gas bediente und die Messinghebel vor und wieder zurück schob, während wir aus der Schwärze in die Schwärze fielen. Er kam herüber und bat, seinen Hut in der Hand haltend, den jungen Herrn mit hoher, aber leiser Stimme, seine Gruppe zur Ordnung zu rufen.
    In dem Wagen hatten einige Leute zu singen begonnen. Ich aber saß schweigend auf der harten Bank und streichelte Mrs. Halshaws Helm auf meinem Schoß. Der Wagen hatte einen Ofen, aber ich glaube, daß uns allen trotzdem ziemlich kalt war. Die blaue Caeruleanerin zitterte sichtlich. Sie sah mir besorgt ins Gesicht und bot mir aus einer Papiertüte, die sie bei sich trug, scheu einen kristallisierten Wurm an. Ich schüttelte wortlos den Kopf und vergrub die Nase in meinem neuen Mantel. Er roch nach Mottenkugeln und nach ›Lilie aus dem Tal‹.
    Es währte nicht lange, da begann mich die Fahrt zu langweilen, und ich fragte mich, wie lange ich jetzt schon von zu Hause fort war, und ob Papa immer noch schlief. Mit der Dosis, die ich ihm in meiner Wut verabreicht hatte, würde er wahrscheinlich den Beginn und auch das Ende seiner Schicht verschlafen. Ich hatte keinerlei Vorstellung, wie lange ich mich an Bord der
Halcyon Dorothy
aufgehalten hatte. Plötzlich ertönte eine Hupe. Erschrocken fuhr ich hoch und hätte beinahe den Helm fallengelassen. Dünne Wolkenschleier wirbelten an uns vorbei, gefolgt von einer ringförmige Bergkette mit vereinzelten Häusern in der Ferne. Die Häuser wurden immer zahlreicher, kamen näher, rauschten in einem einzigen Wirrwarr an uns vorbei – und dann waren wir unten, wurden auf unseren harten Sitzen heftig durchgeschüttelt. Leute fielen gegeneinander und beschwerten sich lautstark über eine solche Demütigung.
    Reisen, wurde mir klar, war einfach. Da war nichts dabei. Jetzt war es der Gedanke, tatsächlich irgendwo zu sein, der mich wirklich beunruhigte. Mir fiel wieder ein, daß ich den Mond eigentlich haßte. Aber diesmal würde ich mein Kinn hoch tragen. Ich war fest entschlossen, Captain Estranguaros Anweisungen auszuführen; und auch die von Miss Halshaw, dachte ich. Wieso nicht? Schließlich waren die Geschenke dieses bemerkenswerten Paares ja dazu da, mir immer vor Augen zu halten, daß es auch andere Dinge, andere Orte im Universum zu sehen gab als die Hütte eines Wachmannes auf der St.-Radigunds-Werft – was immer der Wachmann selbst auch dagegen vorbringen mochte.
    »Ist das dort Crisium?« fragte ich die Caeruleanerin, aber sie jaulte nur, kratzte sich an ihrer Schnauze und eilte hinter den anderen Passagieren her. Der Schaffner beobachtete das Treiben und hielt den Aussteigenden die Tür auf. Ich trat zu ihm und fragte:

Weitere Kostenlose Bücher