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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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leicht bis nach Hause schaffen«, meinte Captain Estranguaro und wedelte wegwerfend mit der Hand, als verabscheue er Geld und sei wirklich froh, dieses schmutzige Zeug loszuwerden.
    »Für ein Sandwich und einen Becher Eis auf der Eisbahn müßte es eigentlich auch noch reichen«, fügte Miss Halshaw hinzu.
    Und, lieber Leser, ob Sie es glauben oder nicht, ich begann zu weinen.
     

KAPITEL V
Ein überhöflicher Angestellter
    Viele Schiffe warten draußen an den Hochpiers, Schiffe, die zu groß, zu schwer beladen oder zu vornehm sind, um sie auf den Mond herunterzubringen. Ich erinnere mich noch, daß an jenem Tag ein Truppentransporter, die
Lars Porsena,
einige Dingis und Schiffe ähnlicher Größe sowie eine kleine schwarze Jolle, die
Arvyst Gos,
mit Netzen und Bündeln hoch beladen, dort draußen angedockt hatten. Die Schauerleute kämpften mit ihren Rädern, und die weißschimmernde Seite des Hochpiers schwebte ins Blickfeld. Die
Halcyon Dorothy
klinkte sich anmutig in ihren Haken ein, wobei sie sich rollte wie ein großes gelbes Flußpferd. Die Schauerleute zurrten die Taue fest – und da waren wir, bereit, an Land zu gehen.
    Miss Halshaw blieb, wie es ihre Gewohnheit war, an Bord, um, wie sie sagte, ihre Kehle zu schonen. Sie ließ mich eine Nitrox-Pastille schlucken und steckte mir noch ein paar für später in die Tasche. »Ich hoffe, du erfährst gute Neuigkeiten in der Registratur«, meinte sie. »Stell dir doch nur mal vor, deine Mutter sei eine Prinzessin vom Mars gewesen, die dort unerkannt gelebt hat. Mein Gott, Sophie, was wäre das für eine wunderschöne Geschichte!« Und so plapperte sie weiter. Ich wollte aber nicht, daß sie von meiner Mama sprach. Deshalb setzte ich den Helm auf, hob den Saum meines Mantels und trat auf den Landungssteg hinaus.
    Verglichen mit den anderen, hatten wir an einem ziemlich kleinen Pier festgemacht, der offen war und weder Schwerkraft noch Luft zum Atmen bot. Reisende in Raumkleidung warteten in Gruppen vor den Sperren, während sich an Bord der Schiffe Gesichter vor den Bullaugen drängten, um zu sehen, wer vorbeikam, um heimlich eine – verbotene – Zigarette zu rauchen oder nur gelangweilt mit den Fingernägeln in den Zähnen herumzustochern.
    Captain Estranguaro brachte mich zum Ticketschalter und bezahlte meine Passage nach unten: einfach, ohne Begleitung. Dann warteten wir ein wenig abseits von den menschlichen Passagieren, weil der Captain ein Fremdwesen war. Um uns herum Mäntel und Helme und Atemgeräte in jeder Form und Größe. Die Leute lasen Zeitung, schauten immer wieder auf ihre Uhren oder starrten über die Reling auf den großen graubraunen Mond, der sich breit unter uns dehnte, und warteten auf das erste Anzeichen des hochsteigenden Ballons. Ich wollte auch hinübergehen und schauen, fühlte mich aber sehr leicht und unsicher auf den Beinen.
    Ich berührte mit meinem Helm den von Captain Estranguaro. »Wo lebt er«, fragte ich ihn. »Ich meine Mr. Cox.«
    »Er hat ein Haus in London Town«, hörte ich ihn sagen. »Vielleicht fährt Cox nach Hause, während sie sein Schiff für den Flug zum Jupiter rüsten.« Die grünen Augen des Captains zuckten, und sein runzliges Gesicht wirkte auf mich so dicht vor meinen Augen sehr fremdartig. Ich fragte mich, ob er mir immer die Wahrheit sagte. Ich kam mir hier draußen, so viele Meilen über dem Mond schwebend, klein und verloren vor. Mein Helm füllte sich mit dem Geräusch meines eigenen Atems.
    Schließlich traf der Aether-Ballon ein, schwoll in seinem Dock riesig an und stieg über uns auf wie ein breiter kanariengelber Pudding. Der Wagen folgte. Er war gedrängt voll mit ankommenden Passagieren. Die Leichterschiffer schwärmten aus und reckten ihre Transparente in die Höhe. Der Laufsteg wurde in Position geschwenkt, und dann kamen sie: zuerst die feinen Damen und Herren mit ihren Leibdienern, als nächstes eine Horde von Angestellten und Schreiberlingen, die ihre Aktenmappen und Schreibkladden mit sich trugen, dann ein Haufen torkelnder Soldaten, die nach dem nächsten Drink grölten, und zum Schluß all die Fremden, die Leute von Corregio und Tethys oder wer weiß woher. Eine Person, daran erinnere ich mich noch, sah aus wie ein haariger schwarzer Labrador, obwohl er die Größe eines Bären hatte und aufrecht in Stiefeln ging.
    Ich war froh, daß der Captain mit mir an Bord ging. Ich rechnete jeden Moment damit, einen zu großen Schritt zu machen oder über den Saum des Mantels zu stolpern und den

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