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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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keinerlei Schwierigkeiten haben, jemand zu überreden, oder?« meinte er, jedes Wort betonend.
    Ich starrte auf die Muskeln, die in seinen Augenwinkeln zuckten – die Augen von Fauns sind wie grüne Oliven, und an den Winkeln biegen sich die Augenlider nach oben. Da stand er, sechs Inches von mir entfernt, blinzelte mir ins Gesicht und lächelte dabei, als habe er gerade einen Löffel voll Honig verschluckt.
    »Unsinn«, sagte Miss Halshaw und gab dem Captain mit einer Sternenkarte einen Klaps auf die Nase. »Hör nicht auf ihn, Miss Farthing, er ist ein schamloser Kerl.« Sie nahm meine Hand und zog mich zum Treppenaufgang. In ihrer Art, mich herumzuschubsen, war sie ebenso schlimm wie Rita und ihre Freundinnen. »Nun komm schon, Sophie«, kommandierte sie. »Stehen wir hier nicht länger im Weg. Ladies sind auf der Brücke nicht besonders gern gesehen, mußt du wissen.«
    Und so wurde zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von Geld oder meinen Überredungskünsten gesprochen.
    In Miss Halshaws Kabine tranken wir noch einen Tee, während über unseren Köpfen die Matrosen herumliefen und die Segel einholten. Miss Halshaw sagte zu mir, sie müsse nun üben. »Gewöhnlich erlaube ich niemandem, mir dabei zuzusehen, aber ausnahmsweise ...«, und sie plusterte sich auf wie der große rosige Vogel, dem sie ähnelte. »Ich werde dir einige von meinen Lieblingsstücken vorstellen«, meinte sie. Mir fiel wieder ein, daß ihr Vortrag immer alle begeisterte. Ich wußte nicht so genau, was ein Vortrag war, und so wartete ich ab, ob auch ich begeistert sein würde. Ich wußte aber auch hinterher nicht so genau, ob ich es war. Ich wünschte, Kappi wäre bei mir gewesen, um es mir zu erklären.
    Ganz plötzlich meinte Miss Halshaw, daß es nun genug der Singerei sei: Sie hatte sich von einem Moment zum anderen entschlossen, mir die Zukunft vorherzusagen, und trug mir auf, in dem Durcheinander nach einem Kartenspiel zu suchen. Ich fand es in der Tasche ihres Bademantels.
    »Ich sehe einen jungen Mann«, murmelte Miss Halshaw, während sie die Karten in Ermangelung eines anderen freien Platzes auf dem Boden eines Tabletts auslegte. »Er versteckt sein Gesicht. Er steht auf einem Feld« – ihre Stimme wurde eindringlich – »oder auf einem Felsen. Du meine Güte!« Sie sah mir in die Augen und verzog die Mundwinkel. »Er trägt ein Schwert.«
    »Ich kenne keine jungen Männer«, sagte ich, ohne so recht zu verstehen, was wir hier eigentlich machten. »Und ich habe noch nie auf einem Feld gestanden.«
    Miss Halshaw deckte ein Herz auf. »Ach du großer Gott! Ein Kuß. Er will dich küssen, Sophie.«
    Ich fühlte, daß ich so rot wurde wie die Karte in ihrer Hand. »Ich habe nie ...«
    »Macht nichts«, sagte sie und schob die Karten mit einer raschen Bewegung zu einem Packen zusammen. Ich glaubte einen kurzen Augenblick lang, auf ihrem Gesicht den Ausdruck offener Mißbilligung zu erkennen, als habe sie etwas gesehen, das sie beleidigte. Sie zog einen Schmollmund. »Gib nur immer gut acht, wen du küßt, wenn du jemand küßt, meine Liebe. Achte besonders darauf, daß er kein Schwert trägt.« Dann kicherte sie, zog den Kopf ein und tätschelte besänftigend die Luft darüber mit ihren Fingerspitzen, als schäme sie sich für etwas.
    Ich spürte, wie meine Kopfschmerzen zurückkehrten. In der heißen, engen Kabine kam ich mir vor wie eingesperrt. Ich wollte nicht hier unten herumsitzen, ich wollte hinausgehen und mir den Mond ansehen. Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen und fragte um Erlaubnis. Miss Halshaw war sofort einverstanden, was ich wiederum seltsam fand, denn ich war es nicht gewohnt, ohne zu streiten meinen Willen zu bekommen.
    Sie nahm mich mit in den Salon, der ganz im Dunkeln lag. Schemenhaft konnte ich darin ein Klavier erkennen, und eine Couch, auf die Miss Halshaw niedersank und mich dabei anwies, die Vorhänge zu öffnen. Als ich sie beiseite zog, sah ich eine Menge Topfpflanzen und ein Messingteleskop auf einem Ständer. Das Messing war fleckig vom Grünspan, und die Pflanzen zeigten große schwarze Punkte auf ihren Blättern.
    Mißbilligend schlug Miss Halshaw auf das Polster der Couch und wirbelte aus der verrotteten Seide eine kleine Staubwolke auf. »Da versucht man mit allen Mitteln, das Sternenlicht draußen zu halten – und was nutzt es? Es saugt das Gute aus allem.«
    In den Kartenräumen im Aeryie, wo die Karten des tiefen Raums in Reih und Glied hängen und ihren Duft nach Stärke und Tinte

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