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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Feldstecher und Flaggensignale in der Zeichensprache zu unterhalten.
    »Eins-zwanzig, hohe Wolkendecke«, übersetzte der Pilot zerstreut die Signale – und lautlos versanken wir in das wollige Weiß der Wolken. Mit dem dünnen, staubigen Hauch, den wir bei der Landung auf dem Mond durchquert hatten, war das hier nicht zu vergleichen. Die ganze Schicht bestehe nur aus Wasser, erzählte mir der Captain. Ich wußte nicht, ob ich ihm das glauben sollte. Die dicke Suppe sah jedenfalls nicht aus wie Wasser, das lustig in den Eimern schwappte, wenn man es von der Zisterne nach Hause trug, aber nie aufquoll und in solch unfaßbarer und unkooperativer Weise in der Luft hing.
    Als wir aus der Wolke austraten, erblickte ich wieder etwas Wunderbares.
    »Land!« rief ich. »Land voraus!«
    Die Männer lachten. Es war mehr Land, als ich je geschaut hatte. Es dehnte sich weiter in allen Richtungen, als ich sehen konnte. Dagegen war der Mond ein Nichts. Hier gab es Hügel und Felder und Wälder, winzige Kühe in den Tälern und winzige Windmühlen, die sich drehten, und überall grünte und blühte alles.
    Aber was war das, das dort aufquoll, um uns zu verschlingen, dieses konturlose, schwarzgraue Gesicht hinter dem Schleier aus gelbem Rauch? Sollte das London sein? Dieses London, das das größte Wunder auf der Welt sein sollte. Das war doch nichts anderes als ein High Haven von gigantischen Ausmaßen! Nichts als Schornsteine und Schmutz und Kirchtürme, die wie ungeschliffene Bolzen auf uns zuflogen. Ich war sicher, sie würden in der nächsten Minute unseren Ballon aufschlitzen und uns aus dem Himmel stürzen lassen. Die Dächer von London – es gab mehr Dächer dort als Sterne am Himmel. Im ganzen Universum gab es sicher nicht Menschen genug, um die Häuser darunter zu füllen. Die Straßen waren tatsächlich ganz gewöhnliche Straßen, aber es gab unglaublich viele davon, die in alle Richtungen auseinanderzulaufen schienen, und alle hatten mehr Verkehr wie ein Hund Flöhe. Ach, lieber Leser, wie soll ich das nur in Worte fassen? Obwohl mir die Hügel und Felder unendlich weit erschienen, und die Erde selbst noch viel größer – in meinen Augen war London größer als alles.
    Der Captain salutierte vor der Stadt und nahm dann seine Mütze ab. »Nun, kleines Mädchen, was hältst du von ihr?«
    Ich weiß, ich hätte sagen sollen, ich sei überwältigt, wenn ich mir vorstelle, was sie auf den anderen Welten bewirkt hatte und wie weit sie ihre mächtige, zivilisierende Hand ausgestreckt hatte. Mir hätte das Herz in der Brust vor Stolz anschwellen sollen, daß ich die Hauptstadt des glorreichen Empires betrat. Hier oben an ihrem Himmel hängend, während ihre Flugzeuge an uns vorbei aufstiegen und niedergingen, konnte ich ihre vornehmen Gebäude erkennen, ihre breiten Durchgangsstraßen, den emsigen Verkehr auf den Wasserläufen – ich konnte ihre Parks und die lavendelfarbenen Felder betrachten.
    Aber es war ein unwissendes Kind, das da, den geliehenen Helm und den Sack mit Leckereien in den klammen Händen haltend, auf die Stadt herunterschaute, und mir kam in den Sinn, was Mr. Hans Christian Andersen in einer seiner Geschichten erzählte. Sie erinnern sich: Die Porzellanpuppe, zu steif, um allein vom Regal zu steigen, fragt die Ratte, die viel herumgekommen ist, und die Ratte sagt: »London, ja – das Paradies für Ratten!«
    Ich gab dem Captain keine Antwort auf seine Frage, dachte aber an die Ratten, die die Kanäle und Gullys, die Böden und Wände der Keller, Werften und Kaufhäuser von London bevölkerten. Ich stellte mir vor, was für ein Gequieke und Geknabbere das sein müßte. Hampstead unter uns verwob sich in meinem Kopf mit Hamelin, und als seine Türme sich uns zeremonienhaft entgegenreckten, erkannte ich, daß es ein Palast aus Dutzenden von Palästen war, angefüllt mit der Beute von Hunderten von Welten. War das der Ort, wo die Königin lebte? Oder lebten dort nur Ratten?
    Es ist tatsächlich ein Palast. Hampstead Harbour. Seine Schatullen lagen offen vor mir, angefüllt mit Reichtümern, rühmlich und ehrenvoll zusammengetragen. Aber trotzdem war ich sprachlos. Man hätte das ganze Ostdock in seinen Sand- und Kohlehalden verstecken können, und Radigunds Werft wäre für immer und ewig darin verschwunden.
    Und überall Schiffe, Schiffe in allen Formen und Größen. Ich sah Frachter und Kutter, über hundert ramponierte Briggs – war vielleicht die
Unco Stratagem
darunter? Ich hätte sie niemals unter all

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