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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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steigt und den Aether-Wind anfacht. Das Boot wird auf dem Berggipfel warten. Er müßte sich beeilen, damit sie den Gezeitenwechsel nutzen konnten. Aber er bummelt, nimmt nur widerwillig die Fäden zu seinem neuen Leben in die Hand. Es war der Kreuzer seines Vaters, und nun ist er seiner. Das Schiff wird auf ihn warten, Gezeiten hin oder her.
    Der junge Mann bemerkt sein Abbild im Garderobenspiegel und fährt sich nochmals nachdenklich mit der Fingerspitze über die Wange. Er fragt sich, wie lange er wohl diesmal brauchen wird, bis er lernt, sich selbst wiederzuerkennen.
     

KAPITEL VII
Ich beziehe Quartier
auf dem Lambeth
    An einem stockfinsteren Abend im Oktober auf der Erde sah ich mitten über der Straße einen Mann tanzen. Er turnte zwanzig Fuß hoch in der Luft herum. Ich erinnere mich, daß er ein weißes Nachthemd und eine Kette aus Löwenzähnen trug. Funken eines nahen Feuers, die der Wind heranwehte, umwirbelten seine Gestalt, während er dort oben auf seinem Seil herumtänzelte und von einem Fuß auf den anderen sprang. Dort unten ist die Schwerkraft sehr hoch, und ich wußte, daß der Mann sich in größter Gefahr befand. Das Herz schlug mir bis zum Hals.
    Wenn ich an Erde denke, denke ich an diesen Mann Jack Spivey und an seine gloriose Reise von einer Straßenseite zur anderen. Ich wünschte, ich hätte bei meinem Vorhaben hier wie er ein Seil, um mich daran festzuhalten, denn eine Flut von Worten ist tückischer als jede Tide, weht heiß und kalt heran und schwemmt den Schreibstift willkürlich in alle Richtungen. Nein –ich darf an dieser Stelle noch nicht von Mr. Spivey erzählen, sondern erst, wenn er an der Reihe ist. Zuerst muß ich etwas dazu sagen, wie ich überhaupt auf die Erde gekommen bin.
    Von Crisium stiegen wir in einem kleinen Ballon auf. Er hatte einen offenen Korb. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mich über den Rand beugte. Die schwarzen Türmchen und Dachfirste tauchten unter mir weg, und die Bahn, die die Promenade entlangratterte, wurde immer kleiner. Ich war sehr stolz und zufrieden mit mir – und überhaupt nicht ängstlich.
    Captain Allardyce berührte meinen Helm mit seinem. »Mandragora«, sagte er und zeigte hinunter. Ich folgte mit den Augen seiner Hand und bemerkte einen silbern schimmernden Park. Ich sah Tierstatuen, die so aufgestellt waren, als tränken sie aus dem gefrorenen See. Da war eine Bogenbrücke aus weißem Stein, und ein paar Pierrots veranstalteten ein Picknick. Ich winkte ihnen fröhlich zu, während wir davonsegelten, hinaus auf die pockennarbige Ebene des riesigen Kraters. Eine einsame Mondmöwe versuchte mit uns aufzusteigen, aber wir ließen sie weit unter uns zurück.
    Der
Appleby Bull
war ein Vier-Tragflächen-Klipper mit einer Ladung Fluorspat-Ballen. Obwohl wir unter vollem Tuch segelten, kreuzten wir ziemlich langsam in Richtung Erde, denn wir trieben mitten in einer starken Strömung. Das Stroh schwebte überall herum, drang in jede Ritze und sogar in die Lebensmittel ein. Man hatte mir aufgetragen, dem Koch zu helfen. Sein Name war Bleen. Er war ein mundfauler alter Raumfahrer mit einem Korkbein, das schon unzählige Male mit Teer und braunem Packpapier geflickt worden war. Wenn es ihm in der winzigen Kombüse zu heiß wurde, nahm Bleen das Bein ab und kratzte sich den rosigen Stumpf. Er scherte sich den Teufel darum, was ich davon hielt.
    Während der ganzen Überfahrt blieb ich in der Kombüse und legte mir allmählich auch den Gang der Raumfahrer zu. Meine gute Laune hielt nicht lange an. Ich war nicht krank, hatte aber häufig Kopfschmerzen, und manchmal kam auch mein Hindu-Dämon über mich und stach mich mit seinen Schwertern. Zudem quälten mich furchtbare Träume von einem reißenden, mörderischen Fluß. Nach dem Vorfall in der Registratur bis zu dem Zeitpunkt, als wir an Haven vorbeiflogen, war ich mir sicher, daß der Captain, der Koch und auch der Bootsmann sich nur über mich lustig machen wollten und mir schließlich erklären würden, daß sie mich zum Narren gehalten hätten und mich doch nach Hause brächten. Ich denke, manchmal hoffte ich es sogar.
    Mit jeder Stunde wuchs die Erde. Sie wuchs und wuchs, daß ich manchmal dachte, größer könne sie doch nicht mehr werden. Doch sie wuchs weiter. Mir war nicht klar gewesen, welch riesige Masse sie darstellte. Ich dachte an Mr. Cox mit seinem Eisenlächeln und erschauerte. Selbst wenn er dort unten war, wie sollte ich ihn jemals finden? Wie sollte ich wissen, wo ich mit der

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