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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Suche anzufangen hatte? Was kannte ich schon von der Mutter Aller Welten? Nichts außer Ihren Ladungen, die High Haven sozusagen als Tribut all Ihrer Kinder passierten – außer Ihren Arbeitern, die heraufkamen, um zu zimmern und zu schweißen - außer Ihrem Adelsvolk, das mit vorgehaltenen Taschentüchern auf dem Prinz-Edward-Dock herumspazierte. Meine eigene Mutter befand sich auf Haven, wenn überhaupt irgendwo, denn Papa war sicher nirgendwo sonst gewesen. Mir dämmerte allmählich, daß ich einen Fehler gemacht hatte.
    Ich dachte an den überhöflichen Schreiber, der sich fortwährend entschuldigt hatte. Ich war nicht registriert. Ich wußte zwar nicht, was das zu bedeuten hatte, aber ich schämte mich und würde die Sache für mich behalten. Natürlich war der Ring, den ich hatte, nicht Mamas Ring gewesen, wie ich in meiner Einfalt geglaubt hatte. In der Piloten-Gilde gibt es keine Frauen.
    Wahrscheinlich war der Ring, den ein betrunkener Subaltern-Offizier wohl auf der Straße verloren hatte, eins von Kappis Geschenken.
    Ich haßte Papa, weil er mich immer versteckt hatte, und wünschte ihn auf die andere Seite des Universums. Was brauchte ich einen Vater oder eine Mutter?
    Auch Mr. Cox konnte ich vergessen: Viel Glück auch für ihn! Denn jetzt war ich ein Matrose, und ich hielt mich fast schon für eine erfahrene Reisende. Als der
Bull
schließlich zum Landeanflug über dem Atlantischen Ozean einschwenkte, bedauerte ich sehr, daß diese Reise schon zu Ende ging, und plante gleich meine nächste. Ich würde nach Adonis gehen und mit Miss Halshaw Brandy trinken; und ein oder zwei Tage später wäre ich auf dem Weg, den Pluto zu umschiffen und nach Godfreys Stern zu segeln, um mir die Juwelen-Welten anzuschauen. Das Schiff schlingerte, und ich stieß heftig mit dem Ellbogen gegen die Wand. Ich fluchte leise und rieb mir die schmerzende Stelle, während ich zum Bullauge kroch und hinausspähte.
    Wir waren inzwischen viel tiefer gesunken, und die Erde verbarg sich unter unserem Kiel hinter einem dicken Wolkenteppich. Irgendwo dort unten lägen die Britischen Inseln, behauptete Mr. Bleen. Ich konnte, von einem Teil des Anlegers abgesehen, nichts erkennen, weder See noch Land. Der Anleger stieg zu uns auf. Er leuchtete hell in Rot und Grün und Farben, die ich in den dunklen Werften von Haven noch nie gesehen hatte. Ich war überrascht, wie viele Schiffe dort lagen oder in den Becken herummanövrierten – wie Fische in einem Tank. Ich konnte mich nicht sattsehen an diesem Bild.
    Über mir liefen die Männer herum, und der
Bull
prallte gegen die Fender. Der Koch drückte mir einen Zuckersack in die Hand und trug mir auf, ihn mit Datteln und Haferkeksen zu füllen. Auch er schien zu begreifen, daß meine große Reise erst begonnen hatte. Als ich ihm Lebewohl sagte, nahm er mein Gesicht zwischen seine harten Hände. »Leb wohl, du kleines Wiesel«, sagte er. »Zum Teufel mit deinen Augen.« Dann brachte er mich an Deck und übergab mich wieder in die Obhut des Captains.
    Das Schiff hing am Haken und schwebte sanft in der Strömung. Das Löschen der Ladung war in vollem Gang, und die Mannschaft erhielt Landurlaub. Captain Allardyce dankte den Männern ;und wechselte ein paar freundliche Worte mit jedem, während er die Heuer auszahlte. Ich stand etwas abseits in seiner Nähe. Schließlich bestiegen wir mit dem Maat und dem Piloten einen Privat-Ballon, der uns in die Luftschicht hinuntertrug. Wir schienen eine lange Zeit zu fallen.
    Die Wolke war wie ein Berg Porridge mit kleinen dunklen Punkten darauf – als habe jemand Gewürznelken darüber gestreut.
    »Was ist das, Sir?« fragte ich den Captain.
    »Das sind die Drachen, Sophie«, antwortete er. »Sie beobachten das Wetter.«
    »Sie haben sie heute so hoch wie möglich aufsteigen lassen«, meinte der Pilot und zündete sich seine Tabakpfeife an.
    Ich fühlte mich so unwissend. Ich wußte, was ein Drachen war, ich hatte davon in einem Buch gelesen. Aber wie konnte ein Drachen irgend etwas beobachten?
    Es waren komplizierte, kistenförmige Drachen aus gelbem und schwarzem Segeltuch, und sehr groß, wie ich feststellen konnte, während wir auf sie zukrochen. Als wir schließlich unter einem herflogen, sah ich den Mann, der darunter hing, geduckt in einem Holzrahmen geschnallt, mit einer Schutzbrille im Gesicht und einem langen bunten Schal um den Hals. Der Drachen-Mann salutierte zu uns herüber und fuhr fort, sich mit den Wachkameraden seiner Schicht über

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