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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Doch er schämte sich keineswegs, sondern lächelte mir nur aufmunternd zu. Ich las sehr selbstsicher und ruhig, auch wenn ich in Wahrheit ziemlich verunsichert war. Sofort drehte Mrs. Rodney der Spüle den Rücken, um mir beim Vorlesen zuzuhören, und schmunzelte still in sich hinein.
    Kaum war der Maat gegangen, lief ich auf die Straße hinaus und tollte dort trotz meiner Schwere mit erhobenem Kopf und weitgeöffnetem Mund herum. Nie zuvor hatte ich Regen gesehen: Es war Wasser – und kam aus dem Himmel! Ein Regentropfen fiel mir mitten ins Auge. Ich blinzelte heftig und lachte vor Überraschung laut auf. Gertie und Johnnie beobachteten mich vom Fenster aus. Nun wußten sie, daß ich ziemlich verrückt sein mußte.
    Mrs. Rodney kam nach draußen und rief mich herein. Sie befahl mir, mich hinzusetzen, und erklärte mir geduldig, welche täglichen Pflichten Gertie und ich von nun an zu erledigen hatten. Schließlich müßte ich mir Kost und Logis verdienen, meinte sie. Damit wäre meine unmittelbare Zukunft gesichert – aber ich hatte keine Zeit, wenn der Mann, den ich besuchen wollte, jeden Moment absegeln konnte. Sobald ich meinen ersten Auftrag erfüllt hatte, schlüpfte ich wieder in den Regen hinaus.
    Sie hatten gesagt, ich solle mich nicht in die Nähe des Oberhauses wagen. Aber ich erinnerte mich an die Bemerkung von Captain Estranguaro, daß Mr. Cox ein sehr wichtiger Mann in der Piloten-Gilde war. Also kam ich auf die Idee, dorthin zu gehen.
    Ich war durchnäßt bis auf die Haut, als ich endlich ihre Büros in Whitehall fand – nur um mir von einem großen Polizisten sagen zu lassen, ich solle verschwinden. Ich kam nicht mal bis in die Nähe des Eingangs. Ich wollte dem Polizisten meinen Ring zeigen, wußte aber, daß er mich dann einsperren würde. Niedergeschlagen drehte ich mich um und trottete nach Hause. Meine Füße schmerzten heftig von der ungewohnten Last, die sie zu tragen hatten. Ich hatte noch nicht die Hälfte des Weges geschafft, als meine Schuhe auseinanderfielen.
    »Was hast du dir nur dabei gedacht, Sophie?« meinte Mrs Rodney und musterte mich vorwurfsvoll. Von nun an sorgte sie dafür, daß ich immer beschäftigt war und ließ mich nur aus den Augen, wenn ich mit Gertie spielte, die nur meine Gesellschaft akzeptierte, wenn sie Langeweile hatte. Hier war es ebenso schlimm wie zu Hause.
    »Ach, Sophie, hab doch ein wenig Geduld«, sagte Mrs. Rodney, legte einen Arm um mich und drückte mich, als sei ich ihre Tochter. »Vielleicht bringt Mr. Rodney bald ein paar gute Neuigkeiten für dich.«
    Mr. Rodney war Kellermeister im
Anker der Hoffnung.
Ohne mir etwas zu sagen, hatte er den Wirt, Mr. Mountjoy gefragt. Mr. Mountjoy fragte den Briefträger, der immer auf einen Drink vorbeischaute. Und tatsächlich kam der Briefträger ein paar Tage später mit der Nachricht zurück, daß der Gentleman, nach dem sie suchten, ein Haus in Kensington besäße. Mr. Rodney brachte mir auf einem Fetzen Papier die Adresse. Hocherfreut bedankte ich mich bei ihm, hockte mich draußen auf die Eingangstreppe und las sie immer wieder.
    »Laß mich mal sehen«, sagte Gertie, obwohl sie für den Umgang mit Worten oder Zahlen nicht die nötige Geduld aufbrachte. Daher las ich ihr vor, was auf dem Papier stand, und fragte sie, wo Kensington sei. Sie preßte die Lippen fest zusammen und schüttelte ablehnend den Kopf – was so viel hieß, daß sie nichts damit zu tun haben wollte. Sie ließ mich sitzen und ging zu ihren Freunden, zu Abigail und den anderen. Aber wenig später tauchte Johnny auf und sagte, er würde mich hinbringen. Die anderen Jungs machten sich darüber lustig, daß er sich um ein Mädchen kümmerte. Aber als sie hörten, daß wir dorthin gingen, wo die Reichen in großen Häusern mit Gärten und Bäumen lebten, wollten sie plötzlich alle mitkommen, und so machte sich die ganze Horde auf den Weg.
    Mr. Cox' Haus war umgeben von einer hohen Mauer, über die das Geäst von hohen Bäumen hinausragte. Von der Straße aus war es nicht zu sehen. Ich erinnere mich noch, daß ich nicht durch das Tor gehen wollte, aber Danny Corby und die verwegeneren Jungen schoben mich hindurch und die Zufahrt hinauf. Doch als das Haus in Sicht kam und unter seinem Dachfirst finster zu uns herüberschaute, ließ mich meine Eskorte schmählich im Stich und rannte zum Tor zurück, um sich hinter den Pfeilern zu verbergen. Ich mußte also allein zur Eingangstür gehen.
    Auf mein Klingeln öffnete mir ein Lakai. Er trug eine

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