Sophies Kurs
sind für die
kiiri
auch nicht von Interesse.
Weiter geht's, über den Großen Kanal, wo die Menschen schon ihren infernalisch lauten Schwimmbagger angeworfen haben, zum Juarouq-Viertel. Hier kreisen die
kiiri,
rufen sich gegenseitig mit ihren kreischenden Fistelstimmen Worte zu und lassen sich in Scharen auf den dünnen Zweigen der Purpurkakteen nieder, die die Straßen säumen. Die Straßen sind eng und verlaufen im Zickzack, als würden sich ihre Häuser wärmesuchend dicht aneinanderdrängen. Hier ist niemand zu sehen. Nur ein paar Bauern mit Wäschebündeln oder Schubkarren schlurfen in Richtung Kanal oder Hafenmarkt. Ein fetter Barbier in grünem Anzug winkt ungeduldig seine trödelnde Kundschaft heran und wedelt dabei mit Händen und Ohren. Alle Leute verfallen in Schweigen und drehen sich um, als eine französische Patrouille in geordneter Formation auftaucht. Die
kiiri
schwingen sich hinab, um die Patrouille näher zu beäugen, denn ihr folgt ein von einer Eidechse gezogener Wagen voller Sklaven, von denen einige alles andere als gesund aussehen.
Die Franzosen erreichten als erste den Mars und schickten die Nachricht zur Erde, daß die Kundschafter Britanniens zwar direkt nach Ys geflogen, seither aber spurlos verschwunden seien. Danach machten sich aber nur die Ärmsten und Verzweifeltsten auf die Reise: Prospektoren aus Frankreich und Spanien, die im südlichen Ödland, weit entfernt von jeder Stadt, landeten. Sie waren es auch, die die 'Überreste der riesigen Wälder entdeckten, die einst, lange, lange vor dem Noachianischen Zeitalter die Oberfläche des Planeten bedeckten. Langsam begann sich der Handel zu entwickeln, als bekannt wurde, daß die Bewohner der Städte am Äquator, obwohl barbarisch und gefährlich, keine Kohle kannten. Die Franzosen bauten für den ersten Besuch ihres Herrschers den herrlichen Raumhafen von Ys, der jetzt ein blühender Naturalienmarkt ist, über den Diamanten exportiert und Früchte importiert werden. Ys, die größte Stadt auf der Welt, erstreckt sich in voller Breite über dem Lake Ventre, dessen Wasser die Bewohner durch ein Kanalsystem bändigten.
Die Franzosen ließen entlang des Großen Kanals von der Botschaft bis zum kaiserlichen Palast Palmen anpflanzen. Dort
promenieren
sie, die Offiziellen und ihre Frauen, jetzt am späten Morgen auf und ab, wenn die dahineilenden Monde 'die klare kalte Luft umrühren, bis sie sprudelt wie Champagner und man sie für gesund genug hält, um draußen herumzuspazieren. Die Promenade stößt bei den Hiesigen auf großes Interesse. Hier ist immer etwas los. Da gehen zwei einheimische Ladies in Krinolinen vorbei und halten gekünstelt die Sonnenschirme über den Kopf. Ein einheimischer Mann mit einer Mütze salutiert vor einem Franzosen mit Zylinder. Ihm wird erlaubt, eine Dienstleistung auszuführen, zum Beispiel der Dame des Franzosen den alles durchdringenden Staub vom Mantel zu bürsten. Als Lohn erhält er eine kleine Messingmünze. Die marsianischen Sklaven, die vor der Botschaft das Pflaster säubern, schauen verständnislos zu.
Von der Fassade der Botschaft sehen die
kiiri
hinunter. Sie verstehen alles – alles, was da zu verstehen ist. Zum Beispiel dort drüben, hinter den Latrinen, liegt ein toter Mensch im Schilfrohr. Er liegt schon eine Woche, unentdeckt von Sklaven oder Hunden, und verwest nur langsam in der kalten Luft. Und genau das ist es, woran die
kiiri
interessiert sind – an Leichen.
Inzwischen gibt es in Ys zahlreiche Menschen, und immer scheint eine große Zahl von ihnen zu sterben.
Es ist traurig, wie viele sterben. Aber muß man sich darüber wundern? Dies ist eine fremde Welt, auf der sie siedeln, und sie sind mit ihren Gefahren nicht vertraut. Ihre Kinder fallen in die Kanäle, und ihre Diener erliegen mysteriösen Krankheiten. Die isolierten Außenposten in St. Etienne und Roche du Cobra wurden ganz plötzlich von Sandstürmen heimgesucht, jedes Fort einzeln. Keine Überlebenden, niemand, der Licht in die Sache hätte bringen können! Die Standarten wurden mit der königlichen Pinasse nach Hause geschickt und an den Wänden von Notre Dame aufgehängt. Der Kaiser persönlich schickte eine Beileidsbotschaft an die Angehörigen.
Obwohl der Tag nun schon ziemlich weit vorangeschritten ist, regiert im kaiserlichen Schlafzimmer noch und auf immer die Nacht. Hier brennen stets die Lampen und Kohlenfeuer, erfüllen die Luft mit Wärme und dem Duft von heilenden Harzen. In seinem Krankenbett träumt der
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