Sophies Kurs
›Wandlung‹: »Mit ihren verunstalteten Mündern verwandeln sie den Wein in Blut ...«
Der Mann klingt wie eine summende Fliege in dem überladenen Gemach. In seine Schlafkleider gehüllt, schaut der Kaiser tief in die köstlichen schwarzen Augen einer seiner Konkubinen. Sie sind verführerisch, diese Augen. Er wünscht, der Hohepriester würde endlich gehen. Er denkt, er wird auf der Stelle einschlafen, wenn er noch länger in diese Augen schaut.
»... in das Blut und den Leib ihres Jesus Christus.« Der Kaiser erkennt den Namen, den auch Kardinal
D'Aubray so oft ausspricht. »Das ist doch ihr Gott.« »Ja, Majestät.«
Die Kunst, in jeder Situation eine königliche Haltung zu bewahren, ist auf dem Mars wie auf jeder anderen Welt das Wesen aller Dinge. Es ist eine Kunst, die auch der Kaiser selbst an Tagen noch beherrscht, an denen sein Kopf anfühlt, als wäre er voll geronnenem Schleim.
»Sie denken, sie essen ihren Gott.«
»Eure Hoheit sind wie immer der Präziseste aller Kommentatoren.«
Die Ohrmuscheln des Kaisers klappen zu. Erschöpft und verächtlich flüstert er: »... e-kel-haft!«
»Uns dreht es den Magen um«, erklärt der Hohepriester eifrig. »Ihr Gestank beleidigt unsere Nasen.« Und er vollführt eine rituelle Geste, wobei er seinen Schal quer vor das Gesicht hält. Die Frauen schütteln sich unbehaglich. Der Duft des Gummis, der auf den kostbaren Kohlen schmort, ist schwer und wohlriechend, überdeckt aber kaum den Gestank, der aus dem Kanal heraufdringt, und noch weniger den des Kaisers.
Der Hohepriester bemerkt nicht seinen Fehler. Seine Verblendung läßt ihn die Ohren weit aufreißen. Er ist jetzt bei seinem Lieblingsthema. »Sie schänden die geheiligte Stadt mit ihren Maschinen.«
Draußen vor den kleinen Fenstern müht sich der Bagger. Er hat sich die ganze Woche mit viel Lärm und Wolken aus Dampf im Kanal abgemüht. Sogar die Pelikane haben ihre angestammten Nistplätze beim Pool des Kaisers verlassen und sind in die Canyons verschwunden.
Der Ton des Hohepriesters wird laut und klagend. »... Ungeziefer auf dem Antlitz unseres hehren Planeten ...«
»Haben sie dir deine Frauen genommen?« krächzt der Kaiser.
Der Priester weicht einen Schritt zurück und unterdrückt seinen Ärger. »Mein Kompliment zu Eurer Begleitung, Männlichster aller Potentaten«, sagt er vorsichtig.
»Köstlich, nicht wahr?« nickt der Kaiser. »Willst du eine?«
Voll Widerwillen schüttelt der Priester den Kopf. »Leider, Sire – mein Gelübde ...«
Der Kaiser scheint seitlich tiefer in die Kissen zu sinken. Er sieht schrecklich aus, aber seine Augen sind immer noch klar. Was sie ihm wohl ins Wasser geben?
»Nein, sag schon, Keegheeta, welche gefällt dir am besten?«
Der Priester holt tief Luft. »Ihr Humorvollster aller
Gönner«, antwortet er glatt, »sie sind alle so lieblich, daß keine auch nur die Breite einer Schwertklinge im Vorteil ist.«
Der Kaiser krallt in gespielter Unruhe die Hand in das Bettlaken. »Willst du sie etwa alle?«
Die Frauen kreischen auf und bedecken die Brüste. Der Priester windet sich. Er versucht ein Lächeln und einen Scherz. »Die Brunnenmägde wären höchst verärgert ...«
Die Stimme des Kaisers tönt krächzend durch das rauchige Zimmer. »Da du keine Frau willst, Keegheeta, wirst du sicherlich wie üblich mit einer Traufe Kohle zufrieden sein. Ich erinnere mich noch, wie kalt es in deinen Gemächern ist.«
Der Hohepriester verbeugt sich und faucht ehrerbietig. Der Bagger rattert und rattert. Den Kaiser stört das nicht. Das Geräusch erinnert ihn an einen schönen Frühlingstag vor ein paar Jahren: an eine große Parade, bei der endlose Reihen von Menschenschiffen über den Köpfen vorbeischwebten. Das Messing glänzte hell, und sie feuerten aus all ihren Kanonen Salut. Zur Unterzeichnung des Olympus-Abkommens zwischen Mars und der Liga Aller Welten. Der Kaiser fuhr dabei in einem neuen kaiserlichen Ballon, den der König von Frankreich ihm geschenkt hatte. Er ist sehr stolz auf den Ballon, wenn er auch weiß, daß er nie mehr in ihm fahren wird.
»Ihre Maschinen«, nimmt er den Faden wieder auf, »tragen sie mit ihren großen schwarzen Hüten von Welt zu Welt. Unsere eigenen Leute lernen gerade die geheimnisvollen Ströme der Himmelssee kennen. Eines Tages, Keegheeta, werden wir all ihre Geheimnisse kennen. Dann werden auch wir Welten haben, die wir ausbeuten können. Reiche, saftige Welten!«
Der Priester faucht. »Ihr selbst werdet uns zu ihren
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