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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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baumelten wie bei einer Zigeunerin große Ringe.
    Captain Estranguaro trug den auf seine Größe zurechtgeschnittenen Anzug eines Boxertrainers, dessen linker Ärmel mit Kaurimuscheln besetzt war. In der Hand hielt er ein paar Rüben für das Pferd. Er machte einen Kratzfuß, soweit ihm das möglich war, und verbeugte sich. Betty drängte sich ängstlich an mich.
    »Guten Morgen, Miss Farthing«, rief Captain Estranguaro mit seiner vollen, durchdringenden Stimme. »Welch eine Freude, Sie wiederzusehen, nicht wahr?«
    Miss Halshaw zog an den Zügeln und sah triumphierend auf mich herab. »Die Karten haben es vorausgesagt, Toby, erinnerst du dich? PicBube – ein junger Mann oder eine junge Frau. Aber Sophie, meine Liebe, was tust du auf der Erde? Bist du deinem schrecklichen Vater davongelaufen?«
    Ich bestätigte ihren Verdacht, und der hübsche Strahlenkranz ihrer Zustimmung umgab mich wärmend. Ich erinnerte mich meiner Manieren, stand auf und machte Betty und Miss Halshaw miteinander bekannt. Miss Halshaw streckte Betty die Hand entgegen, die in einem Handschuh aus gebleichtem Ziegenleder steckte, weiß wie Schnee. Zögernd ergriff Betty sie an den Fingerspitzen.
    »Miss Farthing und ich sind uns auf dem Weg nach Adonis begegnet«, erklärte Miss Halshaw. »Danach sind wir nach Menelaus gesegelt, wo alle Bäume blau sind – außerordentlich blau. Und wie hieß noch der andere Ort, Toby? Toby?«
    Captain Estranguaro trat vor. Er schwitzte stark. Sein Geruch überlagerte noch den des Pferdes. »Welchen Ort meinen Sie, meine Herrin?« fragte er, ließ aber dabei keinen Blick von Betty. Rasch setzte ich mich neben sie.
    »Wo der Inspizient dich nicht einlassen wollte, und ich erst mit ihm schimpfen mußte.«
    »New Sebastopol«, sagte der Captain und sprang mit einem Satz auf die Armlehne der Bank neben uns. Betty stieß einen gedämpften Schrei aus. »Blakes Kette«, fügte er hinzu. Da hockte er nun auf seinen staubigen Hufen, stank vor sich hin und zwirbelte seinen Schnurrbart.
    Sie seien überall gewesen, hätten jeden Apfel am Baum der Zivilisation begutachtet, behauptete Miss Halshaw. Aber jetzt seien sie Gott sei Dank wieder zu Hause. »Ich werde im Stackpole-Theater in Waterloo auftreten. Aber das weißt du sicherlich«, sagte sie. »Arbeit, Arbeit, Arbeit. Aber das macht nichts. Cassandra freut sich so sehr, mich zu sehen, stimmt's, Cass?« Sie tätschelte den Hals ihres Pferdes.
    Das Pferd drehte seine enorme Nase in unsere Richtung und schnaubte laut. Die arme Betty wußte sich nicht mehr zu drehen und zu wenden – auf der einen Seite ein Pferd, auf der anderen ein Faun. Ich klappte mein Buch zu, während der Captain Cassandra eine Rübe ins Maul schob. Heute würden wir unser Pensum doch nicht mehr schaffen, das war mir klar, obwohl die Begegnung mit Miss Halshaw und Captain Estranguaro sicher viel lehrreicher war als mein armseliger Unterricht.
    »Ich werde Ihre Sachen holen, Miss Halshaw«, sagte ich. »Ich wohne gleich gegenüber.«
    Miss Halshaw runzelte die Stirn. »Sachen, Sophie? Welche Sachen?«
    »Ihren Mantel und den Helm«, half ich ihrer Erinnerung nach und stand auf. Sofort griff Betty nach ihrem Schreibpapier und stand ebenfalls auf. Wenn ich ging, würde sie mitgehen.
    Miss Halshaw wedelte wegwerfend mit der Hand.
    »Ach, dieser schreckliche Mantel. Den kannst du behalten.«
    Ich setzte mich – und stand wieder auf. »Dann hole ich schnell den Helm. Es dauert wirklich nur eine Minute.« Da ich mich nun dafür entschieden hatte, nie mehr nach Hause zurückzukehren, nie mehr die Erde zu verlassen, wollte ich ihn loswerden.
    »Um Himmels willen, Kind, bleib sitzen«, rief Miss Halshaw. »Du kannst einen ja richtig nervös machen. Toby, Toby, nimm dein Taschentuch. Du tropfst, du ekelhafte Person.«
    Ich fragte Miss Halshaw, wie es auf Adonis war. »Ach, ich weiß nicht, diese kleinen Orte sind alle gleich. Wenn ein Schiff von London hereinkommt, breitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer aus. Sie reißen einem die Programmzettel aus der Hand, ehe man überhaupt einen Fuß an Land gesetzt hat. Und natürlich können sie es kaum erwarten, den jüngsten Klatsch zu hören. Ich muß mir immer jede Kleinigkeit genau merken, damit sich niemand beschwert.« Sie lächelte stolz. »Nach der Aufführung gibt es dann meist ein Dinner im Rathaus mit den jeweiligen hohen Tieren. Dabei fragen mich ihre Frauen immer nach der neuesten Mode, als sei ich ein Couturier.« Sie lachte kehlig. »Die meiste Zeit

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