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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Stratagem«,
korrigierte ich sie.
    Abigail nickte, starrte mir ins Gesicht und hüpfte dabei von einem Fuß auf den anderen. »Sie wird am Nachmittag andocken, sagt er.«
    Einen Moment lang fragte ich mich, warum sie mir das erzählte. Ich hatte Mr. und Mrs. Rodney wie auch Mr. und Mrs. Mountjoy versprochen, Mr. Cox nicht mehr nachzustellen, und mein Versprechen gehalten. Ich hatte aufgehört, an ihn zu denken. Nur einmal hatte ich mich noch gefragt, ob es da auch eine Mrs. Cox gäbe. Vermutlich war er zu schrecklich, als daß ihn eine Frau heiraten könnte. Trotzdem hatte er wohl an Mama genug Gefallen gefunden, um ihr einen Ring zu schenken. »Sie soll ihn ruhig nehmen«, hatte Mama gesagt, als ich ihr den Ring von der Hand zog, »vielleicht bringt er ihr Glück.« Ich fragte mich, welches Versprechen Mr. Cox ihr wohl gemacht und nicht gehalten hatte, daß sie sich schließlich von ihm abwandte.
    Ich stellte den Mop in die Ecke, rief Mrs. Rodney zu: »Ich gehe mit Abigail nur mal die Straße hinauf«, und war schon aus der Tür, ehe sie etwas sagen konnte. Zusammen mit Abigail lief ich zur Juxon Street. Wir brauchten lange, ehe wir dort waren. Wir befanden uns noch mitten im Gedränge auf dem Hampstead Hill, als ich eine hübsche Kutsche mit einem schimmernden Gespann auf uns zurollen sah. Am Kutschschlag erkannte ich das Wappen der Piloten-Gilde. Es zeigte das Auge und den Pfeil – wie mein Ring.
    Ich rief Abigail etwas zu, drängte mich durch die Menge zur Straße durch und duckte mich an Hufen vorbei, um in die Nähe der Kutsche zu gelangen. Da, im Fenster – das waren sein Kinn, seine lange braune Perücke, die Goldborte auf der Schulter. Ich stürzte auf die mahlenden Räder zu und schrie mit aller Kraft: »Mr. Cox! Mr. Cox! Erinnern Sie sich an Molly? An Molly Clare!«
    Doch meine Stimme ging im Lärm des Verkehrs und der Straße unter, und der Kutscher knallte über unseren Köpfen mit der Peitsche. »Platz da, macht Platz!« rief er mit klirrender Stimme, und schon rollte die Kutsche vorbei. Ich stand auf der Brücke und ballte die Fäuste, während Mr. Cox den Hügel hinabrollte. Meine Stirn war feucht, mein Magen leer, und eine seltsame Erleichterung überrollte mich wie eine Meereswoge. Er hatte mich nicht gesehen oder gehört und konnte mir deshalb auch kein Leid antun.
    »War er das?« fragte Abigail mich voller Furcht und hielt mich am Arm fest, als könnte ich mich jeden Moment unter einen Omnibus stürzen.
    »Ich hoffe, du bist jetzt glücklich, Sophie«, fuhr sie schweratmend und mit weit aufgerissenen Augen fort. »Schau mal – Räumer!« Eine Abteilung Konstabler kam auf uns zu und räumte die Straße von Müßiggängern und Gaffern. Wie ich feststellte, waren ein paar davon Hrad. Sie schwangen ihre langen Arme und drehten ihre bleischweren Köpfe nach allen Seiten, um die Menge zu mustern.
    Hrad findet man auf beiden Seiten des Gesetzes, auf zivilisierten wie auf rauhen Welten – überall dort, wo Grobarbeit geleistet werden muß. Die Abrißkolonne, die in der Black Prince Road Häuser einebnete, bestand zum größten Teil aus Leuten von Hrad.
    Auch im
Anker
waren sie häufig zu sehen in ihren Überziehern und Nagelschuhen. Und ihre großen Fäuste klapperten immer auf den Tischen, wenn sie ihre Dominosteine anlegten. Sie tranken große Mengen Ginger Ale, saugten schmatzend an ihren Krügen und lachten mit pfeifenden Stimmen. Meist hatten sie ihre schrecklichen Schoßtiere dabei, die Eiswiesel, die das ganze Sägemehl vom Boden fraßen und sich immer genau dort übergaben, wo man gerade den Fuß hinsetzte.
    »Wir kommen an einem anderen Tag wieder«, sagte ich zu Abbie und reckte den Hals, um wie Columbus dem Neptun der entschwindenden Kutsche nachzuschauen. »Wenn hier nicht so viele Leute sind.«
    »Nun komm endlich«, meinte sie und zerrte an meinem Ärmel.
    Als ich am Abend im Bett Gertie davon erzählte, machte ich aus mir natürlich eine mutige Abenteurerin, eine kühne Heldin.
    »Du bist verrückt, Sophie Farthing. Er wird dich einsperren lassen.«
    »Wofür? Ich habe nichts verbrochen.«
    »Mr. Cox ist ein hochgestellter nobler Herr«, meinte sie mit vorwurfsvoller Stimme, als sei das meine Schuld.
    »Er ist nicht höher im Rang und nobler als du«, erwiderte ich. Gertie wird langsam erwachsen, dachte ich. Und ich auch.
    »Sei nicht albern. Du kannst nicht einfach zu ihm gehen und mit ihm reden.«
    Für alle Gewürze von Caraway hätte ich Gertie niemals meine eigenen Bedenken

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