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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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zurück, als habe sie mir eine schwere Beleidigung zugefügt.
    Arme Mrs. Rose. Für sie war ich ein wandelnder Vorwurf. Ich erinnerte sie an Mama, wenn ich den Mund auftat, und an Lady Plumstone, wenn ich nichts sagte. Von der einen kannte sie nur Gerüchte und Klatsch, wovon nichts geeignet war, es einem jungen unschuldigen Mädchen zu erzählen. »So schöne rote Haare«, sagte sie.»Überhaupt nicht wie Ihre, meine Liebe. Gott segne uns.« Und dann erzählte sie mir von der anderen, die eine solch angesehene Dame sei, um dann plötzlich innezuhalten und mir eine Frage über High Haven zu stellen. Ich versank dann meist in bedrücktem Schweigen und machte mir Vorwürfe, während Mrs. Rose hastig über Lady Plumstone und Jesus den Herrn zu reden begann, über Jesus den Herrn und Lady Plumstone. Manchmal hatte ich den Verdacht, daß sie sie für Mann und Frau hielt.
    Lieber Leser, wie soll ich Ihnen schildern, wie traurig es war, sie dort zu sehen, in diesem engen, feuchten Kabuff, eine Frau, die sich einstmals dazu entschlossen hatte, zwischen den Sternen herumzuwandern? Ich konnte nicht umhin, mich ständig daran zu erinnern, daß es mein Leben war, welches all ihre Hoffnungen und Träume zerstört hatte. Überall, wo ich auftauchte, brachte ich nur Ärger und Scham. Mama hatte mich nicht geliebt, und daher war alles sinnlos.
    Selbst Gertie hörte auf mich zu hänseln, wenn ich in dieser Stimmung nach Hause kam, und beobachtete mich mit wachen Augen.
    Ich schämte mich für Papa und für meine Existenz, muß aber eingestehen, daß ich mich nie für Mama schämte. Mir war es gleich, daß sie ihren Körper vermietet hatte wie ein Dhingi. Papa hatte für solche Frauen nichts als Verachtung übriggehabt, für die angemalten Frauen aus der Half Moon Street, die die Fähren abklapperten und mit der Tide auf- und abstiegen. Jetzt wußte ich, auf welche Weise ihm das Leben so vergällt worden war – durch ein Bündel in einem Korb vor seiner Tür, das eine dieser Frauen ihm wie ein abgelehntes Geschenk zurückgeschickt hatte. Ich fragte mich, wie viele von diesen Frauen er wohl gehabt haben mochte, um sich über seine schöne Estelle hinwegzutrösten. Auf jeden Fall eine zuviel.
    Mr. und Mrs. Rodney erinnerten sich auch an das Massaker in der Turkey-Passage. Schon bald sah Mrs. Rodney mich mit anderen Augen an – so, als sei ich durch ein rotes Mal in meinem Gesicht gebrandmarkt. »Arme Sophie«, meinte sie, »du darfst nicht immer daran denken, Kind« – obwohl es ganz offensichtlich war, daß sie selbst seit jenem Tag an nichts anderes mehr denken konnte. Bald taten das auch alle Nachbarn.
    »Kannst du dich denn überhaupt nicht mehr an sie erinnern?« wollten Betty und Abigail wissen.
    »Nein.« Aber das war eine Lüge. Mama ging mir nicht mehr aus dem Kopf, jede Sekunde drehten sich meine Gedanken um sie. Ich sah sie vom Bett auffahren wie ein Fisch, der aus der Pfanne hüpft – mit all ihren Wunden. Aber nie sah ich dabei ihr Gesicht. Ich sah sie von hinten auf der Straße, inmitten der Menge, ließ meine Päckchen fallen und rannte ihr nach, um sie aufzuhalten, und hörte mich rufen: »Molly, hallo, Molly Clare!« – bis sich der Rotschopf umwandte und mir das Gesicht einer jungen Dame von Stand zeigte –ermordet von einem Irren, während ich wimmernd in Papas ungeduldigen Armen lag. Warum hatte sie mich weggeschickt?
    Mrs. Rose bat mich, sie nicht danach zu fragen, und erzählte mir von jemand namens Baby Moses Bulrush und einem Guten Hirten, der kleine Lämmer rettet. Ich muß gestehen, daß ich ihr kaum zuhörte. Ich hatte keine große Meinung von einem Erretter, der seine Arbeit nur zur Hälfte erledigte.
    Miss Wigram ging nicht mehr mit mir zu Mrs. Rose, obwohl sie weiterhin in den
Anker der Hoffnung
kam. Sie redete nicht mit mir, sprach aber, wie ich glaube, auch nicht über mich, denn es gab keinerlei Klatsch oder Gerüchte. Ich überraschte sie hin und wieder, wie sie mich verächtlich ansah, aber ich wußte, daß Sternenfahrer Herzen aus Stein haben mußten und kein Mitleid zeigen durften. Heute frage ich mich, ob sie glaubte, ich würde sie dafür verantwortlich machen, meinen neuen Hafen, den ich hier gefunden hatte, durch ihre schlechten Neuigkeiten und die unerwünschte Geschichte zerstört zu haben.
    Darm kam – ich wischte gerade den Boden – der Tag, an dem Abigail Cook in der Tür auftauchte und verkündete: »Papa sagt, die
Uncle Stravagant
ist in Sicht gekommen.«
    »Die
Unco

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