Sorge dich nicht - lebe
geleistet: Sechs Flussforellen hatte ich gefangen. Aber angenommen, ich hätte mich beim Fischen gelangweilt, wie hätte ich mich da wohl gefühlt? Was glauben Sie? Ich wäre von den Anstrengungen in über zweitausend Meter todmüde gewesen.
Wir werden selten müde, wenn wir etwas Aufregendes und Spannendes tun.
Sogar beim Klettern kann die Langeweile viel mehr Müdigkeit verursachen als die körperliche Anstrengung selbst. S.H. Kingman, der Direktor einer Bank in Minneapolis, erzählte mir von einem Vorfall, der dafür ein sehr gutes Beispiel ist. Im Juli 1953 bat die kanadische Regierung den kanadischen Alpenverein, Bergführer zu stellen, die mit Soldaten der Prince of Wales Rangers das Klettern üben sollten. Kingman war einer dieser Bergführer. Er erzählte mir, wie er und seine Kollegen – alles Männer zwischen zweiundvierzig und neunundfünfzig – mit diesen jungen Soldaten lange Gletscherwanderungen unternahmen, Schneefelder querten und am Seil eine fünfzehn Meter senkrecht abfallende Felswand hochkletterten, die nur kleine Trittlöcher und brüchige Handhalterungen hatte. Sie bestiegen den Michael’s Peak, den Vice-President Peak und noch viele andere namenlose Gipfel in den kanadischen Rockies. Nach fünfzehn Stunden Klettern waren die jungen Leute völlig erschlagen, trotz der Hochform, in der sie waren, denn sie hatten gerade ein sechswöchiges Nahkampftraining hinter sich.
Waren sie so müde, weil sie beim Bergsteigen Muskeln gebraucht hatten, die während der Nahkampfschulung nicht trainiert worden waren? Wer je so eine Schulung durchmachen musste, kann über eine so dumme Frage nur spöttisch lächeln. Nein, die Soldaten waren so erschöpft, weil das Bergsteigen sie langweilte. Sie waren so müde, dass viele einschliefen, ehe es Essen gab. Aber die Bergführer, zwei- bis dreimal so alt – waren die müde? Das schon, aber nicht erschlagen. Die Bergführer aßen ihr Abendessen und blieben noch ein paar Stunden auf und sprachen über die Ereignisse des Tages. Sie waren nicht erschöpft, weil es ihnen gefallen hatte.
Als Dr.Edward Thorndike von der Columbia-Universität Untersuchungen über Müdigkeit durchführte, hielt er die jungen Versuchspersonen fast eine Woche lang wach, weil er sie ständig mit interessanten Dingen beschäftigte. Am Ende seiner langen Untersuchungen soll er gesagt haben: «Langeweile ist die einzige wahre Ursache für verminderte Arbeitsleistung.»
Bei geistiger Arbeit ist es selten die Arbeitsmenge, die ermüdet. Manchmal ermüdet einen die Arbeit, die man nicht tut. Erinnern Sie sich zum Beispiel noch an den Tag in der letzten Woche, an dem man Sie ständig unterbrach? Briefe blieben unbeantwortet liegen, Verabredungen wurden nicht eingehalten, überall Probleme. An jenem Tag ging alles schief. Sie schafften überhaupt nichts, und trotzdem kamen Sie völlig erledigt nach Hause – mit einem Brummschädel.
Am nächsten Tag lief im Büro alles wie am Schnürchen. Sie schafften das Vierzigfache. Und doch kamen Sie frisch wie eine schneeweiße Gardenie nach Hause. Sie haben so etwas schon erlebt, nicht wahr? Ich auch.
Was folgt daraus? Nur dies: Unsere Müdigkeit entsteht häufig nicht durch Arbeit, sondern durch Sorgen, Frustration und Unzufriedenheit.
Während ich an diesem Kapitel schrieb, besuchte ich eine Probe von Jerome Kerns entzückendem Musical Show Boat . Captain Andy, der Kapitän der Cotton Blossom , sagt in einem seiner nachdenklichen Augenblicke: «Die Leute sind glücklich dran, die nur tun müssen, was ihnen Spaß macht.» Diese Menschen sind glücklich, weil sie mehr Energie, mehr Fröhlichkeit und weniger Sorgen haben und weniger müde sind. Wo Ihre Interessen liegen, da sind auch Ihre Energien. Zehn Block weit mit einer nörgelnden Ehefrau oder einem gereizten Ehemann gehen zu müssen, kann ermüdender sein, als zehn Kilometer mit einem angebeteten Wesen zu wandern.
Und was weiter? Was kann man dagegen tun? Nun, eine Stenotypistin bei einer Ölfirma machte Folgendes: Mehrere Tage im Monat musste sie eine denkbar langweilige Arbeit erledigen: Formulare über Öllieferungen ausfüllen, nichts als Zahlen und Statistiken. Es war so entsetzlich eintönig, dass sie aus reinem Selbsterhaltungstrieb beschloss, die Geschichte interessanter zu machen. Wie? Sie stellte mit sich selbst jeden Tag einen Wettbewerb an. Sie zählte die erledigten Formulare vom Vormittag und versuchte am Nachmittag, noch mehr auszufüllen. Sie errechnete die Tagesproduktion und
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