Sorge dich nicht - lebe
Gezeiten abhängt, arbeitete ich oft 24 Stunden am Tag, immer ungefähr eine Woche lang. Ich erledigte alles, wozu die andern keine Lust hatten. Ich wusch das Boot, ich verstaute die Gerätschaften, ich kochte mit Holz auf einem kleinen Ofen in einer winzigen Kombüse, wo die Hitze und der Gestank des Motors mich beinahe umbrachten. Ich spülte das Geschirr. Ich reparierte das Boot. Ich beförderte den Lachs von unserem Boot in einen Kutter, der ihn zur Fischfabrik fuhr. Die Füße in den Gummistiefeln waren immer nass. Meine Stiefel waren oft voll Wasser, aber ich hatte keine Zeit, sie auszuschütten. Das alles war jedoch ein Kinderspiel verglichen mit meiner Hauptarbeit. Sie bestand darin, die so genannte Korkleine einzuholen. Es heißt einfach, dass man sich am Heck aufbaut und die Netzkorken und das Netz hereinzieht. Jedenfalls sollte es so gemacht werden. Aber in Wirklichkeit war das Netz zu schwer. Wenn ich zog, rührte es sich nicht vom Fleck. Tatsache war, dass ich auf diese Weise das Boot weiterzog. Ich zog es aus eigener Kraft weiter, weil das Netz sich nicht bewegen ließ. Das ging wochenlang so, ohne Ende. Für mich wäre es auch fast das Ende gewesen. Ich hatte schreckliche Schmerzen. Mir tat alles weh. Monatelang nichts als Schmerzen.
Wenn ich zwischendurch einmal eine Gelegenheit zum Ausruhen hatte, schlief ich auf einer feuchten, klumpigen Matratze, die auf der Vorratskiste mit Lebensmitteln lag. Einen Klumpen der Füllung schob ich mir ins Kreuz, wo es am meisten wehtat, und dann schlief ich wie betäubt. Betäubt von der totalen Erschöpfung.
Heute bin ich froh, dass ich die vielen Schmerzen und Strapazen durchstehen musste, denn es half mir, meine Sorgen und Ängste zu besiegen. Jedes Mal, wenn ich jetzt ein Problem habe, frage ich mich: «Ericksen, kann es so schlimm sein, wie die Korkleine einzuholen?» Und Ericksen antwortet immer: «Nein. Was Schlimmeres gibt’s nicht.» Das muntert mich auf, und ich packe die Sache energisch an. Ich finde, es ist wichtig, dass man manchmal eine schlimme Erfahrung durchstehen muss. Ein gutes Gefühl, wenn man zu Boden geht und wieder aufstehen kann. Im Vergleich dazu sehen alle unsere Alltagsprobleme auf einmal unbedeutend aus.
Von Percy H. Whiting
Ich war der größte Esel der Welt
Ich bin öfter an den unterschiedlichsten Krankheiten gestorben als jeder andere Mensch, ob lebendig, tot oder halb tot. Ich war kein gewöhnlicher Hypochonder. Meinem Vater gehörte ein Drugstore, in dem ich praktisch aufwuchs. Ich sprach jeden Tag mit Ärzten und Krankenschwestern und kannte Namen und Symptome von mehr und schlimmeren Krankheiten als der durchschnittliche Laie. Ich war kein gewöhnlicher Hypochonder – ich hatte auch die entsprechenden Symptome. Ich konnte mich in ein paar Stunden so in eine Krankheit hineinsteigern, dass ich tatsächlich alle für sie typischen Symptome bekam. Ich erinnere mich, dass in meiner Heimatstadt einmal eine schwere Diphtherieepidemie ausbrach. Im Drugstore meines Vaters verkaufte ich tagelang Medikamente an Leute aus betroffenen Familien. Und schließlich erschien der Teufel auch, den ich an die Wand gemalt hatte: Ich bekam selbst Diphtherie. Es bestand kein Zweifel. Ich legte mich ins Bett und steigerte mich so in meine Angst hinein, dass ich alle typischen Symptome bekam. Ich ließ einen Arzt holen. Er untersuchte mich und sagte: «Ja, Percy, Sie haben sich angesteckt.» Da fiel mir ein Stein vom Herzen. Wenn ich die Krankheit endlich hatte, fürchtete ich mich nicht mehr vor ihr. Ich drehte mich also auf die Seite und schlief ein. Am nächsten Morgen war ich völlig gesund.
Jahrelang machte ich mich mit ungewöhnlichen und bizarren Krankheiten wichtig und erntete damit viel Beachtung und Mitgefühl: Mehrmals starb ich an Kieferklemme oder Tollwut. Später gab ich mich mit den heute üblichen Krankheiten zufrieden, wie etwa Krebs oder Tuberkulose.
Jetzt kann ich darüber lachen, aber damals war das Ganze wirklich sehr traurig. Über Jahre war ich felsenfest davon überzeugt, dass ich buchstäblich am Rand des Grabes lebte. Wenn es im Frühling zum Beispiel Zeit für einen neuen Anzug wurde, überlegte ich: «Sollst du dafür noch Geld ausgeben, wenn du doch weißt, dass du ihn nicht mehr viel tragen wirst?»
Doch kann ich zum Glück berichten, dass ich Fortschritte gemacht habe: In den letzten zehn Jahren bin ich nicht ein einziges Mal gestorben!
Wie ich das schaffte? Ich verspottete mich selbst wegen meines
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