Sorge dich nicht - lebe
befestigt. Das Außenzelt zitterte und bebte und ächzte und quietschte im Wind. Ich dachte, dass unser Zelt jeden Augenblick losgerissen und durch den Nachthimmel davongewirbelt würde. Ich war vor Schreck wie versteinert! Aber mein Mann sagte immer wieder: ‹Hör zu, Liebling, wir reisen mit Führern von Brewsters. Brewsters hat viel Erfahrung. Seit sechzig Jahren stellen sie hier in den Bergen Zelte auf. Schon viele Sommer hat unser Zelt hier gestanden. Es wurde nie weggeblasen, und nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit wird es auch jetzt stehen bleiben. Und selbst wenn, können wir uns in ein anderes flüchten. Also beruhige dich … › Ich gehorchte und schlief schließlich sogar ein, als der Sturm nachgelassen hatte.
Vor ein paar Jahren brach in unserer Gegend eine Kinderlähmungsepidemie aus. Früher wäre ich hysterisch geworden. Doch mein Mann brachte mich dazu, gelassen zu bleiben. Wir trafen alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen. Wir ließen unsere Kinder nicht in die Schule, sie durften nicht ins Kino und mussten sich vor Menschenansammlungen fern halten. Wir fragten beim Gesundheitsamt nach und stellten fest, dass selbst bei der schlimmsten Kinderlähmungsepidemie in ganz Kalifornien, also nicht nur in unserem Teil, nur 1835 Kinder erkrankten. Gewöhnlich waren es nur zwei- bis dreihundert. Natürlich sind auch solche Zahlen noch traurig, trotzdem wussten wir nun, dass der Wahrscheinlichkeitsrechnung nach eine Erkrankung unserer Kinder fast nicht zu erwarten war.
«Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung wird es nicht passieren.» Dieser Ausspruch hat neunzig Prozent meiner Ängste und Sorgen zum Verschwinden gebracht. Und durch ihn sind die letzten zwanzig Jahre schön und friedlich gewesen, wie ich es in meinen kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt hätte.
Es wird behauptet, dass fast alle unsere Ängste und Sorgen, unser Unglücklichsein, von unserer Einbildungskraft verursacht werden und mit der Realität nichts zu tun haben. Wenn ich auf die letzten Jahrzehnte zurückblicke, stelle ich fest, dass dies bei mir tatsächlich so war. Jim Grant erzählte mir, dass er die gleiche Erfahrung gemacht habe. Er war Obstgroßhändler und besaß eine eigene Firma in New York. Manchmal orderte er zehn bis fünfzehn Wagenladungen Florida-Orangen oder Grapefruits auf einmal. Er sagte zu mir, dass er sich ständig mit sorgenvollen Gedanken herumschlug wie zum Beispiel: Was passiert, wenn es einen Zusammenstoß gibt? Wenn die Früchte über die ganze Gegend verstreut werden? Wenn meine Wagen über eine Brücke fahren und sie einstürzt? Natürlich war er versichert. Doch er befürchtete, sein Obst nicht rechtzeitig liefern zu können oder Kunden zu verlieren. Er machte sich so viele Sorgen, dass er dachte, er habe ein Magengeschwür, und zum Arzt ging. Der Arzt stellte fest, dass ihm nichts fehle, er sei nur etwas nervös. «Da ging mir ein Licht auf», sagte er. «Und ich fing an, mir Fragen zu stellen. Ich fragte zum Beispiel: ‹Also, Jim Grant, wie viele Obstlaster sind in all den Jahren für dich gefahren?› Die Antwort war: ‹Ungefähr fünfundzwanzigtausend.› Dann fragte ich: ‹Wie viele hatten einen Unfall?› Antwort: ‹Ach, vielleicht fünf.› Da sagte ich zu mir: ‹Nur fünf – von fünfundzwanzigtausend! Weißt du, was das bedeutet? Das ist ein Verhältnis von eins zu fünftausend! Anders ausgedrückt, nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung stehen die Chancen, dass du eine Ladung verlierst, eins zu fünftausend! Also, weshalb machst du dir Sorgen?›
Dann sagte ich zu mir: ‹Aber eine Brücke könnte einstürzen!› Nun fragte ich: ‹Wie viele Wagen hast du durch einen Brückeneinsturz tatsächlich verloren?› Die Antwort war: ‹Keinen.› Da sagte ich zu mir: ‹Was bist du für ein Idiot! Du machst dir Sorgen wegen einer Brücke, die nie eingestürzt ist, und einem Unfall, der nur alle fünftausend Mal passiert, und kriegst beinahe ein Magengeschwür davon!›
Was bist du für ein Idiot! Du machst dir Sorgen wegen einer Brücke, die nie eingestürzt ist, und einem Unfall, der nur alle fünftausend Mal passiert.
Als ich so weit war», erzählte mir Jim Grant, «kam ich mir ziemlich dumm vor. Da beschloss ich, dass sich von nun an die Wahrscheinlichkeitsrechnung um alle meine Sorgen kümmern sollte – und seitdem habe ich nie wieder Magenschmerzen gehabt, ob sie nun eingebildet waren oder nicht.»
Als Al Smith Gouverneur von New York war, hörte ich immer wieder, wie er auf die
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