Sorge dich nicht - lebe
man das Unvermeidliche akzeptieren kann. Ein halbes Jahrhundert lang war sie die Königin des Theaters auf vier Kontinenten, die beliebteste Schauspielerin der Welt. Dann, mit einundsiebzig – sie hatte ihr ganzes Geld verloren –, eröffnete ihr ihr Pariser Arzt Professor Pozzi, dass er ein Bein amputieren müsse. Bei der Fahrt über den Atlantik war sie im Sturm auf Deck gestürzt und hatte sich das Bein schwer verletzt. Die Venen entzündeten sich, das Bein schrumpfte zusammen. Die Schmerzen wurden so heftig, dass der Arzt eine Amputation für notwendig hielt. Er hatte etwas Angst, es der temperamentvollen «göttlichen Sarah» zu sagen. Er war darauf gefasst, dass diese bei der schrecklichen Nachricht völlig hysterisch werden würde. Doch er täuschte sich. Sarah sah ihn einen Augenblick an und meinte dann gelassen: «Was sein muss, muss sein.» Es war Schicksal.
Als sie in den Operationssaal gerollt wurde, stand ihr Sohn da und weinte. Sie winkte ihm noch einmal fröhlich zu und rief: «Geh nicht weg! Ich bin gleich wieder da.»
Dann sprach sie eine Szene aus einem ihrer Stücke. Jemand fragte sie, ob sie sich damit Mut machen wolle. «Nein», sagte sie, «ich möchte nur die Ärzte und die Schwester etwas ablenken. Es wird für sie ziemlich anstrengend werden.»
Nachdem sie sich von ihrer Operation erholt hatte, reiste sie weiter durch die Welt und verzauberte ihr Publikum noch sieben Jahre lang.
«Wenn wir aufhören, gegen das Unvermeidliche anzukämpfen», schrieb Elsie MacCormick in einem Artikel im Reader’s Digest, «setzen wir Energien frei, mit denen wir ein besseres Leben gestalten können.»
Kein Mensch hat genug Gefühl und Energie, gegen das Unvermeidliche anzukämpfen, und gleichzeitig noch überschüssige Kraft, das Leben neu zu gestalten. Man muss wählen – das eine oder das andere. Man kann entweder den unvermeidlichen Hagelstürmen des Lebens nachgeben oder sich dagegenstemmen und daran zerbrechen.
Das habe ich auf einer Farm in Missouri beobachtet, die ich einmal besaß. Ich hatte eine Gruppe Bäume gepflanzt, die anfangs erstaunlich schnell wuchs. Dann überzog ein Schneeregen alle Äste mit einer dicken Eisschicht. Statt sich unter ihrer Last anmutig zu beugen, standen diese Bäume stolz und gerade da und splitterten und zerknickten. Wir mussten sie alle fällen. Sie hatten nicht die Weisheit der Wälder im Norden gelernt. Ich bin Hunderte von Kilometern durch die kanadischen Tannenwälder gefahren und habe nie auch nur eine Fichte oder Pinie gesehen, die unter Eis oder nassem Schnee zusammengebrochen war. Diese Bäume wussten, wie sie sich neigen, wie sie ihre Äste nach unten biegen mussten, wie sie das Unvermeidliche ertragen konnten.
Jiu-Jitsu-Meister lehren ihre Schüler, «nachzugeben wie die Weide, nicht festzustehen wie die Eiche».
Warum, glauben Sie, sind Ihre Autoreifen zum Fahren so geeignet und können so viel aushalten? Anfangs wollten die Firmen Reifen produzieren, die den Stößen der Straße widerstanden. Die Dinger zerrissen schnell. Da stellte man einen Reifen her, der alle Stöße und Schläge auffing. Jener Reifen «hielt sie aus». Sie und ich, wir leben länger und können bequemer fahren, wenn wir lernen, die Schläge und Stöße auf dem steinigen Weg unseres Lebens abzufangen.
Sie und ich, wir leben länger und können bequemer fahren, wenn wir lernen, die Schläge und Stöße auf dem steinigen Weg unseres Lebens abzufangen.
Was geschieht mit Ihnen und mir, wenn wir uns gegen sie wehren? Was passiert, wenn wir uns weigern, «nachzugeben wie die Weide», und «feststehen wie eine Eiche»? Die Antwort ist leicht. Wir werden viele innere Konflikte heraufbeschwören. Wir werden uns Sorgen machen, verkrampft sein, gekünstelt und neurotisch.
Wenn wir dann noch einen Schritt weiter gehen und die raue Welt der Wirklichkeit nicht sehen wollen und uns ins Reich unserer selbst gemachten Träume zurückziehen, dann sind wir verrückt.
Während des Krieges mussten sich Millionen entsetzter Soldaten mit dem Unvermeidlichen abfinden oder unter der Anspannung zusammenbrechen. Nehmen wir William H. Casselius’ Fall als Beispiel. Hier ist sein Vortrag, den er in einem meiner Abendkurse in New York hielt. Er bekam einen Preis.
«Kurz nachdem ich mich zur Küstenwache gemeldet hatte, wurde ich zu einem der gefährlichsten Orte diesseits des Atlantiks versetzt. Ich sollte Sprengstoff bewachen. Stellen Sie sich das vor! Ausgerechnet ich, ein Keksvertreter, sollte auf
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