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Sorge dich nicht - lebe

Sorge dich nicht - lebe

Titel: Sorge dich nicht - lebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dale Carnegie
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mager und voll Gräben. Sie hatten es schwer und mussten jeden Cent zweimal umdrehen. Nun kaufte Tante Edith gern mal neue Vorhänge oder ein paar andere Kleinigkeiten, um das kahle Haus etwas zu verschönern. Sie kaufte diese Pracht auf Kredit. Onkel Frank machte sich wegen ihrer Schulden Sorgen. Als Farmer hatte er großen Respekt vor unbezahlten Rechnungen, und deshalb bat er den Besitzer des Textiliengeschäfts heimlich, seiner Frau nichts mehr auf Kredit zu geben. Als sie es erfuhr, ging sie an die Decke – und hatte sich fast fünfzig Jahre später immer noch nicht beruhigt. Ich habe erlebt, wie sie die Geschichte erzählte – nicht einmal, sondern oft. Als ich sie das letzte Mal sah, war sie Ende siebzig. «Tante Edith», sagte ich zu ihr, «Onkel Frank hat dir Unrecht getan und dich gedemütigt, das ist wahr. Aber ehrlich, Tante, findest du nicht, dass es unendlich viel schlimmer ist, sich noch ein halbes Jahrhundert später darüber aufzuregen?» (Ich hätte es genauso gut dem Mond erzählen können.)
    Tante Edith bezahlte teuer für ihren Groll und ihre bitteren Erinnerungen, die sie nicht vergessen wollte. Sie bezahlte mit ihrem eigenen Seelenfrieden.
    Als Benjamin Franklin sieben Jahre alt war, machte er einen Fehler, den er siebzig Jahre nicht vergaß. Damals, mit sieben, hatte er sich in eine Pfeife verliebt. Aufgeregt stürzte er in den Spielzeugladen, baute alle seine Kupfermünzen auf der Theke auf und kaufte die Pfeife, ohne nach dem Preis zu fragen. Siebzig Jahre später schrieb er an einen Freund: «Ich kam nach Hause und lief durchs ganze Haus und pfiff voll Begeisterung auf meiner Pfeife.» Seine älteren Brüder und Schwestern fanden heraus, dass er für sie viel zu viel bezahlt hatte, und lachten ihn aus. «Und», schrieb Franklin, «ich weinte vor Scham.»
    Jahre später, als er bereits ein weltbekannter Staatsmann und Gesandter in Paris war, erinnerte er sich noch immer daran, dass sein Kummer darüber, dass er für seine Pfeife zu viel bezahlt hatte, größer gewesen war als die Freude an ihr.
    Doch am Ende kam Franklin mit dieser Erfahrung noch billig weg. «Als ich erwachsen wurde», erzählte er einmal, «und in die Welt hinausging und die Menschen beobachtete, stellte ich fest, dass viele, sehr viele von ihnen für ihre Pfeifen zu viel bezahlten . Kurz und gut, ich erkannte, dass ein großer Teil des Elendes auf dieser Welt von einer falschen Wertschätzung der Dinge herrührt. Weil die Leute für ihre Pfeifen zu viel bezahlen !»
Ein großer Teil des Elendes auf dieser Welt rührt von einer falschen Wertschätzung der Dinge her.
    Auch Gilbert und Sullivan zahlten zu viel für ihre Pfeife. Tante Edith ebenfalls. Und Dale Carnegie – bei vielen Gelegenheiten. Und auch der unsterbliche Leo Tolstoi, von dem zwei der größten Romane stammen, die es auf der Welt gibt, Krieg und Frieden und Anna Karenina . In der Encyclopaedia Britannica steht, dass Leo Tolstoi in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens wohl der meistbewunderte Mensch seiner Zeit war. Zwanzig Jahre lang, bis zu seinem Tod 1910, zog ein nie versiegender Strom von Bewunderern zu seinem Haus, um einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen, seine Stimme zu hören oder seine Jacke zu berühren. Jeder Satz, den er äußerte, wurde mitgeschrieben, beinahe als sei er eine «göttliche Offenbarung». Was allerdings das Leben selbst betraf – das Alltagsleben –, nun, da besaß der siebzigjährige Tolstoi weniger Vernunft als Benjamin Franklin mit sieben! Eigentlich besaß er überhaupt keine.
    Ich meine damit Folgendes: Tolstoi heiratete ein Mädchen, das er innig liebte. Sie waren sehr glücklich. Oft sanken sie auf die Knie und baten Gott, noch lange ein Leben in solch reiner, himmlischer Ekstase leben zu dürfen. Aber Tolstois Frau war ungewöhnlich eifersüchtig. Sie pflegte sich als Bäuerin zu verkleiden und ihrem Mann nachzuspionieren, sogar draußen im Wald. Sie zankten sich entsetzlich. Ihre Eifersucht wurde so groß – auch auf ihre eigenen Kinder –, dass sie einmal eine Waffe nahm und ein Loch in die Fotografie ihrer Tochter schoss. Sie wälzte sich sogar auf dem Boden, hielt eine Flasche Opium an die Lippen und drohte, sie würde sich umbringen. Ihre entsetzten Kinder verkrochen sich in einer Zimmerecke und schrien.
    Und was tat Tolstoi? Na ja, man könnte es dem Mann nicht verübeln, wenn er die Einrichtung zertrümmert hätte – Gründe dafür gab es genug. Aber er tat etwas viel Schlimmeres: Er führte ein

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