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Sorge dich nicht - lebe

Sorge dich nicht - lebe

Titel: Sorge dich nicht - lebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dale Carnegie
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fragte er freundlich, ob ich wohl etwas zur Seite treten würde, damit er seinen Rollstuhl besser drehen könne. «Tut mir schrecklich Leid, Sie zu stören», sagte er, und dabei lächelte er so strahlend, dass einem das Herz aufging.
    Während ich zu meinem Zimmer ging, konnte ich an nichts anderes denken als an diesen heiteren Krüppel. Ich spürte ihn auf, und er erzählte mir seine Geschichte.
    «Ich war rausgefahren, um eine Ladung Hickorystangen für die Bohnen in meinem Garten zu schneiden. Nachdem ich sie auf meinen Ford geladen hatte, fuhr ich nach Hause. Plötzlich rutschte eine Stange unter den Wagen und blockierte die Räder, gerade in dem Augenblick, als ich in eine scharfe Kurve ging. Der Wagen schoss über den Straßenrand geradeaus, und ich wurde gegen einen Baum geschleudert. Meine Wirbelsäule wurde verletzt. Meine Beine waren gelähmt.
    Damals war ich vierundzwanzig. Seitdem bin ich keinen Schritt mehr gelaufen.»
    Mit vierundzwanzig Jahren für den Rest seines Lebens zum Sitzen im Rollstuhl verdammt! Ich fragte ihn, wie es ihm gelungen sei, den Mut nicht zu verlieren, und er antwortete: «O doch, ich war sehr mutlos.» Er habe gewütet und rebelliert und sei über sein Schicksal verzweifelt gewesen. Die Jahre schleppten sich dahin, und schließlich wurde ihm bewusst, dass seine Empörung ihm nichts einbrachte, außer Verbitterung. «Ich merkte schließlich», sagte er, «dass die Menschen freundlich und höflich zu mir waren. Also könnte ich es ihnen gegenüber auch sein. Das war das Mindeste.»
    Ich fragte ihn, ob der Unfall für ihn nach all den Jahren immer noch ein großes Unglück sei. «Nein», erklärte er sofort. «Ich bin beinahe froh darüber.» Er erzählte, dass er in einer anderen Welt lebe, seit er Schock und Empörung überwunden habe. Er fing an zu lesen und entdeckte seine Liebe zu schönen Büchern. In den vierzehn Jahren seit seinem Unfall habe er wenigstens 1400 Bücher gelesen. Und diese Bücher, sagte er, hätten ihm neue Horizonte erschlossen und sein Leben reicher gemacht, als er es je für möglich gehalten habe. Er begann auch, sich mit klassischer Musik zu beschäftigen. Und heute ist er von Symphonien begeistert, die ihn früher nur gelangweilt haben würden. Doch Zeit zum Nachdenken zu haben, war für ihn die größte Entdeckung. «Zum ersten Mal in meinem Leben», sagte er, «konnte ich mich in Ruhe mit der Welt auseinander setzen und mir ein richtiges Urteil über alles machen. Ich erkannte, dass die meisten Dinge, die ich angestrebt hatte, gar nichts wert waren.»
Zeit zum Nachdenken zu haben, war für ihn die größte Entdeckung.
    Durch das viele Lesen wurde sein Interesse an der Politik geweckt, er beschäftigte sich mit Fragen des Allgemeinwohls und hielt vom Rollstuhl aus Reden! Er lernte viele Leute kennen, und die Leute lernten ihn kennen. Und schließlich wurde er sogar ein hoher Verwaltungsbeamter.
    Während ich in New York Kurse in Erwachsenenbildung gab, fand ich heraus, dass viele meiner Studenten vor allem eines bedauerten: dass sie nicht aufs College gegangen waren. Sie schienen zu glauben, dass dies im Leben ein großes Hindernis sei. Ich weiß, dass das nicht immer stimmt, denn ich habe Tausende erfolgreicher Männer und Frauen kennen gelernt, die nie über die High-School hinausgekommen sind. Deshalb erzählte ich meinen Studenten gern die Geschichte eines Mannes, der nicht einmal die Volksschule fertig machte. Er wuchs in entsetzlicher Armut auf. Als seinVater starb, mussten die Freunde seines Vaters einspringen und den Sarg bezahlen, in dem man ihn begrub. Seine Mutter arbeitete nun zehn Stunden täglich in einer Schirmfabrik und brachte noch Heimarbeit nach Hause mit und schuftete bis elf Uhr nachts weiter.
    Man konnte verstehen, dass ein Junge, der in solchen Verhältnissen aufwuchs, sich für die Theateraufführungen interessierte, die ein Club in seiner Kirchgemeinde veranstaltete. Er spielte selbst mit und war so begeistert, dass er beschloss zu lernen, wie man frei und offen vor anderen Menschen redet. Das führte ihn in die Politik. Als er dreißig Jahre alt war, wurde er in die Volksvertretung des Staates New York gewählt. Doch er war auf so eine verantwortungsvolle Aufgabe bedauerlich wenig vorbereitet. Er erzählte mir offen, dass er eigentlich gar nicht gewusst habe, was er dort zu suchen hatte. Er studierte die langen, komplizierten Gesetzesvorlagen, über die er abstimmen sollte, doch soweit es ihn anging, hätten sie ebenso gut in

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