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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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an Fannis Seite. Ihr Geruch stört ihn nicht, es ist ein anderer Geruch. Süßer, schwerer. Er sitzt an ihrem Bett und trauert um seine Familie. Karl wird sich nicht mehr melden. Was auch geschehen ist, Karl wird sich nicht mehr melden.
    Er läßt die Wahrheit zu und trauert weiter.
    Nachdem er auch dieses Zimmer versiegelt hat, geht er nach unten, um seinen Platz am Fenster einzunehmen. Er spürt die Vorsicht in jeder seiner Bewegungen. Seine Hand wandert immer wieder zur Brust und tastet nach dem Herzen. Zu vorsichtig , wie er findet, aber er kann gegen diesen Instinkt nichts machen. Du willst leben , sagt er sich, also verhalte dich dementsprechend. Er hebt das Fernglas an die Augen und sieht zur Villa. Er weiß, es ist an der Zeit, daß er die Fehler seiner Kinder wiedergutmacht.
     
    Der Keller ist der ideale Ort. Er findet im Wohnzimmer der Belzens einen tragbaren CD-Player und bringt ihn nach unten. Er legt eine CD mit klassischer Musik ein, sucht und findet eine Stelle, an der das gesamte Orchester spielt, und dreht die Lautstärke voll auf. Oben im Flur kann er die Musik hören. Er verläßt das Haus. Der Keller hat zwei Fenster, eines geht zur Straßenseite raus und das andere zum Nachbargrundstück. Er beugt sich vor, die Musik ist zu hören.
    Im Verlauf des Tages isoliert er den Keller. Er besorgt Nylonband und Dämmaterial. Als er an einem Blumenladen vorbeikommt, kauft er spontan weiße Lilien. Er verhängt die Fenster mit dunklem Vorhangstoff, er ist froh, etwas Praktisches zu tun. Es ist eine sehr befriedigende Arbeit. Am Abend dreht er die Musik wieder auf und schließt die Kellertür hinter sich. Nichts. Kein Laut ist zu hören. Draußen beugt er sich vor und hält sein Ohr nahe an die Fenster.
    Nichts.
     
    In derselben Nacht sieht er sie die Villa verlassen. Er wartet zwei Stunden und beobachtet dabei die Dunkelheit hinter den Fenstern. Nachdem er sich umgezogen hat, befreit er das Boot von der Plane. Er zieht es über den Rasen zum Anlegesteg und will es eben ins Wasser hinunterlassen, als gegenüber ein Wagen in die Einfahrt biegt und die Bäume für Sekunden im Scheinwerferlicht aufleuchten.
    Er flucht. Er hat zu lange gezögert.
    Der Mann schafft das Boot zurück an seinen Platz und breitet die Plane darüber aus, ehe er in das Haus der Belzens zurückkehrt und sich ans Fenster setzt.
     
    Die Lichter verlöschen in dieser Nacht um 4:14 Uhr. Er schließt kurz seine Augen. Er weiß, er sollte sich auf das Sofa legen. Er weiß, daß sein Körper die Ruhe braucht. Vielleicht ist es Sturheit, die ihnam Fenster sitzen läßt. Später wird er das denken. Später wird er sich für seine Sturheit verfluchen.
    Er schläft ein ...
     
    ... und erwacht von der Sonne, die seine Beine wärmt. Er sitzt noch immer auf dem Sessel, es ist ein Wunder, daß er nicht zur Seite gesunken ist. Sein Körper fühlt sich steif an. Aber es war nicht die Sonne, und es war auch nicht die Steifheit seiner Gelenke, die ihn geweckt haben. Er öffnet die Augen und sieht die Frau am gegenüberliegenden Ufer stehen. Es überrascht ihn, wie nahe sie ihm ist, obwohl sie das Wasser des Kleinen Wannsees trennt. Als wäre die Distanz in den Morgenstunden geschrumpft.
    In der Nacht hat er sich in der Dunkelheit des Zimmers sicher gefühlt. Jetzt ist er klar und deutlich zu sehen.
    Ich hätte die Vorhänge zuziehen sollen. Wie konnte ich nur einfach so einschlafen?
    Er steht auf und tritt nach draußen. Es ist der einzige Weg. Er geht zum Anlegesteg und spricht mit der Frau. Erst als er wieder in das Haus der Belzens zurückgekehrt ist, läßt er die Anspannung zu. Sein Körper zittert. Er lehnt sich mit dem Rücken an eine Wand und schnappt nach Luft.

WOLF
    Sie kommen fünfzehn Minuten zu spät und werden am Eingang von einer Frau aufgehalten, die ihnen ein Willkommensgeschenk entgegenhält.
    – Was soll der Blödsinn? fragt Kris.
    – Heute ist Sombreronacht, sagt die Frau.
    – Mir egal, was heute ist, sagt Kris, ich trage so ein Ding nicht. Wolf nimmt einen der Sombreros und dreht ihn in den Händen.
    – Die sind ja aus Papier.
    – Wir dürfen nur noch Papiersombreros ausgeben, erklärt die Frau. Beim letzten Mal wurden uns die echten fast alle geklaut. Die Sombreronacht ist sehr beliebt.
    Wolf setzt den Sombrero auf und stellt sich in Pose. Kris schüttelt den Kopf, er denkt nicht daran, sich wie ein Idiot zu verkleiden. Er will sich an der Frau vorbeischieben.
    – Es tut mir leid, aber wir haben Sombreronacht, wiederholt

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