Sorry
in der Villa und finden heraus, daß sechsundzwanzig neue und siebzehn alte Aufträge darauf warten, bearbeitet zu werden. Sie hocken bis nach Mitternacht zusammen, legen ihre Kalender nebeneinander und teilen sich die Kunden auf. Kris geht zwischendurch nach oben und schickt die Datei an Meybach raus.
Es überrascht Wolf, wie schnell sie wieder in ihre Routine verfallen. Frauke hätte es so gewollt. Er spürt ihre Anwesenheit. In jedem Raum. Wolf hat während der Beerdigung beschlossen, daß er alles tun wird, damit Frauke nicht einfach so aus seinem Leben verschwindet. Nicht wie Erin. Zwei Wochen Party, zwei Wochen Glück und dabei diese Zuversicht, ihre unglaubliche Zuversicht.
Wie konnte sie nur so zuversichtlich sein?
Nach Erins Tod hat Wolf kaum etwas Brauchbares über sie herausgefunden. Ihre Eltern hatten kein Interesse, mit ihm zu sprechen. Zwei Freundinnen tranken Kaffee mit ihm, sagten aber, sie hätten seit einem Jahr nichts mehr von ihr gehört. Sie schoben ihm ein paar Schnappschüsse über den Tisch. Erin sah nicht aus wie Erin. Wolf ließ die Fotos liegen. Auch wenn Erin ihn in Gestalt anderer Frauen heimzusuchen begann, blieb sie ihm eine Fremde, die nach zwei Wochen Gastauftritt in seinem Leben wie ein Feuerwerk verpufft war. Er will nicht, daß ihm das noch einmal passiert.
– Wolf, ist das für dich in Ordnung?
– Was?
– Die Kartons.
Wolf blinzelt und sieht Tamara an. Er weiß nicht, wo Kris abgeblieben ist. Eben saßen sie noch zu dritt um den Wohnzimmertisch herum, und plötzlich ist er allein mit Tamara. Ich sollte es ihr sagen , denkt er und fürchtet sich ein wenig vor ihrer Reaktion. Tamara weiß, daß Erin ihm seit ihrem Tod wie ein unruhiger Geistimmer wieder begegnet ist. In Form von anderen Frauen, in Cafés, auf den Straßen. Tamara weiß aber nicht, daß Erin an dem Tag spurlos verschwand, an dem Tamara und Wolf sich am Ufer des Lietzensees liebten.
Wolf suchte nach Erin. Er hielt Ausschau nach ihr, weil es ein wenig so war, als hätte ihm jemand die Erinnerung an seine große Liebe gestohlen. Wolf weiß, daß er sich da belügt, aber es ist eine Zeitlang eine gute Lüge gewesen. Wie sehr er auch gesucht hat, Erin blieb spurlos verschwunden, und Wolf fragt sich, wie er das Tamara erzählen soll.
Du hast ihren Geist vertrieben. Ist das wahre Liebe?
– Wo warst du? fragt Tamara.
– Was?
– In deinen Gedanken, wo warst du?
– Hier und da, antwortet Wolf und reibt sich übers Gesicht. Tamara geht um den Tisch herum und legt ihre Arme um seine Brust. Ihr Körper an seinem Rücken. Warm und sicher.
– Wann erzählen wir es Kris? flüstert sie in sein Ohr.
– Ich dachte, du fragst nie, flüstert Wolf zurück und hört ihren Atem so nahe, als würde sie mitten in seinem Kopf sitzen.
– Morgen früh?
– Morgen früh ist gut.
– Du oder ich.
– Ich. Warum flüstern wir?
– Weil es sexy ist und weil ich weiß, daß du kaum still sitzen kannst, wenn ich dir ins Ohr flüstere.
Wolf schließt die Augen und berührt über seine Schulter hinweg ihre Wange. So bleiben sie noch einen Moment sitzen, als wäre der Moment nur für sie gemacht – ein Mann und eine Frau, die einander berühren.
DER MANN, DER NICHT DA WAR
Er interessiert sich nicht für das Mädchen, Mädchen sind ihm fremd. So ist es schon immer gewesen. Fanni war eine Ausnahme. Jungs sind ihm viel näher. Sie sind Söhne.
Er schließt die Tür hinter sich und steht in der Dunkelheit. Er erinnert sich an den Moment, in dem er Karl das erste Mal sah. Daran, wie sich der Kopf des Jungen unter seiner Hand angefühlt hatte. So fest und dennoch zerbrechlich. So manipulierbar. Da war diese eine Geste, wenn Karl den Kopf schräg legte und ihn ansah. Zuneigung. Mit fortschreitendem Alter sind Erinnerungen und Sehnsüchte die einzige Würze seines Lebens. Er weiß, daß er zuviel an die Familie denkt. Er wollte nie als alter Mann enden, der nur von der Vergangenheit zehrt. Dennoch häufen sich Tage, an denen das Verlangen nach dieser Zeit in ihm aufsteigt und er sich die Handballen auf die Augen drücken muß, um die Gedanken zum Schweigen zu bringen.
Nachdem er sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, zieht er seine Schuhe aus und läßt sie neben der Tür stehen. Er schaut in die Küche und atmet neugierig die Luft ein. Er öffnet den Kühlschrank, sieht hinein, schließt ihn wieder. Für einige Sekunden läßt er seine Hand auf der Tischplatte liegen und lauscht. An der Wand neben dem Kühlschrank hängt eine
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