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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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jemandem zu entschuldigen, wenn derjenige nicht spürt, daß es dir ernst ist?
    – Du sagst Verständnis, Kris, aber du meinst Mitgefühl.
    – Nein, bei Mitgefühl bist du privat, wir dagegen wahren die Distanz. Mitgefühl können wir uns nicht leisten, deswegen ist Tamara auch für diesen Job ungeeignet. Du paßt besser dahin. Du hast eine Oberflächlichkeit an dir, die relativ emotionsabweisend ist.
    – He, wie praktisch.
    – Du weißt, was ich meine.
    Wolf nickt. Von Kris läßt er sich so was sagen.
    – Du bleibst also bei Verständnis?
    – Verständnis mit einer Spur Sympathie.
    Wolf reibt sich den Nacken.
    – Für mich bleibt es harte Arbeit. Mich verfolgen die Geister. Vor und nach dem Auftrag. Oft für Stunden.
    Kris denkt darüber nach, wie es bei ihm ist. Er sieht keine Geister, und wenn er ganz ehrlich ist, endet der Auftrag an Ort und Stelle. Aber er will das seinem Bruder nicht reinreiben.
    – Niemand hat behauptet, daß es einfach ist, sich für andere zu entschuldigen. Wäre es einfach, wäre schon viel früher jemand auf die Idee gekommen. Ich denke, daß uns die Kirche bald verdammen wird. Wir erteilen Absolution und bringen Licht in dunkle Seelen.
    – Und wir kosten mehr.
    – Ja, wir kosten mehr, aber niemand muß dafür am Abend auf die Knie fallen und uns danken. Und überleg doch mal, wie viele Menschen wir schon glücklich gemacht haben. Auf beiden Seiten. Täter und Opfer. Wir sind die Guten. Schau dir unsere Aufträge an. Wären wir nicht die Guten, wären wir nicht für Monate imvoraus ausgebucht. Die Schuld kriecht den Leuten aus den Poren. Wolf, wir sind die neue Vergebung. Vergiß Religion. Wir vermitteln zwischen Schuld und Reue. Da kannst du deinen Arsch drauf verwetten, daß wir die Guten sind.
     
    Vier Tage nach dem Auftrag für Hessmann bekommt Julia Lambert den Job und meldet sich mit einer Dankeskarte bei Kris. Eine Woche darauf liegt ein Scheck von Hessmann im Briefkasten. Auf das Honorar ist ein Bonus draufgeschlagen. Wolf küßt den Scheck so oft, bis Frauke sagt, er soll mal langsam damit aufhören, sonst nimmt die Bank den Scheck nicht mehr an.
    Und an dieser Stelle verlassen wir für einen kurzen Moment Wolf und Frauke. Wir verlassen Tamara, die lesend auf dem Sofa liegt, und Kris, der ein Stockwerk darüber unter der Dusche steht. Es ist an der Zeit, daß du in diese Geschichte eintrittst. Durch eine Hintertür. Wie ein Geist, der aus dem Boden aufsteigt und die Bühne für sich einnimmt.
    Willkommen.

DU
    Du erfährst zum ersten Mal beim Mittagessen von der Agentur. Du sitzt mit deinem Chef und drei anderen Kollegen in einem Restaurant am Potsdamer Platz. Das Restaurant ist nicht dein Geschmack. Zu laut und zu schick. Euer Chef plant einmal in der Woche ein Mittagessen für euch, es ist sein Spleen. Er ist der Meinung, daß euch ein wenig Eßkultur nicht schaden kann.
    Du hast eben deine Bestellung aufgegeben, als dein Chef die Agentur erwähnt. Für Sekunden erklingt ein hoher Ton in deinen Ohren, und dich überkommt das Gefühl, als würde die Realität zittern und für einen Moment zucken, bevor sie mit einem scharrenden Laut erstarrt. Du betrachtest die eingefrorenen Gesichter um dich herum und fragst dich, was geschehen würde, wenn dein Herz in solch einem Moment stehenbliebe und du sterben würdest. Wärst du dann wirklich tot? Wärst du aus der Realität verschwunden? Dann lacht jemand, dann sagt jemand, daß das doch alles Blödsinn ist, und die Zeit ist wieder die Zeit, und du sitzt mit deinen Kollegen am Tisch und hebst das Wasserglas an deine Lippen, obwohl es leer ist. Deine Kollegen bekommen davon nichts mit. Du stellst das Glas schnell wieder ab, ein Kellner beugt sich an dir vorbei nach vorn und schenkt dir Wasser nach. Du ignorierst ihn und lachst mit den anderen. Es klingt wie ein Scherz. Eine Agentur, die sich entschuldigt. Du sagst jetzt auch was, du sagst:
    – Ach, hör doch auf.
    – Nein, nein, es ist kein Scherz, versichert dir dein Chef und reicht das Brot an dich weiter. Das ist der neueste Renner. Viele große Firmen arbeiten schon mit ihnen. Ich habe es aus erster Hand. Es würde mich nicht wundern, wenn nicht sogar wir sie eines Tages einsetzen würden.
    Ihr schüttelt ungläubig den Kopf, der Gedanke ist absurd; es ist unfaßbar, was die Leute sich alles ausdenken. Du schmierst Butterauf dein Brot, sitzt still und siehst aus wie jemand, der sich ein Brot schmiert. In dir tobt es. Was ist, wenn es wahr ist? fragst du dich. Was dann?

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