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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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Dein Chef überrascht dich, indem er dir deine Gedanken vom Gesicht abliest und sagt:
    – Schau ins Internet. Sie müßten sogar eine Homepage haben.
     
    Eine Suche bei Google bringt 1288 Einträge. Der Name der Agentur ist Sorry. Ihre Homepage besteht aus einer einzigen Seite. Ein kurzer Text, Mail-Adresse und Telefonnummer. Du überfliegst die Kommentare zur Agentur, du klickst sie aber nicht an, denn die Meinung von Außenstehenden kannst du dir sparen.
    Eine Agentur, die sich entschuldigt ...
    All die Monate, Tage, Stunden, Minuten. Jede Sekunde ist ein Gewicht um deinen Hals. Der Widerstand ist mühevoll. Wie oft wolltest du schon in die Knie gehen? Sich immer wehren, sich immer dagegenstemmen. Es ist verständlich, daß du müde bist. Jeder andere wäre auch müde, viele hätten aufgegeben, aber du bist zäh und auf dem besten Weg, dich von deiner Schuld zu befreien. Du hast einen Weg gefunden. Du weißt erst seit kurzem, was zu tun ist, und dann hörst du ausgerechnet an diesem Tag im Restaurant von einer Agentur, die sich gegen Bezahlung entschuldigt. Ist das Ironie? Wollen wir über Zufall oder Fügung sprechen? Willst du dich auf eine Diskussion über die Elemente des Schicksals einlassen?
    Nein.
     
    Deine Finger zittern, als du die Nummer wählst. Vier Tage waren nötig, damit du die Existenz der Agentur akzeptieren konntest. Vier Tage Magenschmerzen. Vier Tage, an denen du die Wände mit den Fäusten bearbeiten wolltest. Du bist so nervös, daß du nach dem ersten Klingelzeichen wieder auflegst. Du lachst. Dir ist bewußt, daß du überreagierst. Du bist keine sechzehn und rufst die Liebe deines Lebens an. Du beruhigst dich und drückst die Wiederholtaste.
    – Tamara Berger bei Sorry . Wie kann ich helfen?
    – Mein Name ist Lars Meybach, ich wollte fragen, wie Sie genau arbeiten, sagst du und mußt dir eine Hand auf den Mund drücken, damit dir kein aufgeregtes Kichern entweicht.
    – Die Prozedur ist recht einfach, antwortet Tamara Berger dir.
     
    Wir hören uns an, bei wem Sie sich entschuldigen möchten, um was es Ihnen geht und was gesagt werden soll. Nach dieser ausführlichen Absprache mit Ihnen schicken wir dann einen unserer Mitarbeiter los. Er erledigt den Auftrag und - - -
    – Woher weiß ich, daß Ihr Mitarbeiter den Auftrag zu meiner Zufriedenheit erledigt? unterbrichst du sie.
    – Vertrauen, erwidert sie, ohne zu zögern. Sie können natürlich auch einen Bericht anfordern, dann halten wir das Gespräch schriftlich fest und lassen Ihnen den Bericht zukommen.
    – Klingt interessant. Was ist der Haken?
    – Der einzige Haken ist, daß wir keine persönlichen Anfragen annehmen. Handelt es sich bei Ihnen um ein privates oder ein geschäftliches Pro blem?
    – Geschäftlich, lügst du. Es ist definitiv geschäftlich.
    – Wunderbar. Soll ich Ihnen vielleicht unsere AGB per Mail zuschicken?
    Darauf warst du nicht vorbereitet. Es geht schnell.
    Zu schnell.
    Leg jetzt nicht auf!
    Du wechselst den Hörer in die andere Hand, atmest tief durch und fragst:
    – Sind alle in der Agentur so nett wie Sie?
    – Nein, leider nur ich. Wenn Sie die anderen hören, rufen Sie hier nie wieder an.
    Sie lacht, ihr Lachen gefällt dir.
    – Frau Berger - - -
    – Tamara, sagt sie.
    – Gut, Tamara, ich habe da ein Problem, das mir sehr unter den Nägeln brennt, und ich bin mir nicht sicher, ob Sie mir wirklich helfen können. Wie schnell ist denn Ihre Agentur?
    – Wie sehr brennt es denn?
    – Sehr.
    – Dann sind wir auch sehr schnell, verspricht sie dir.
     
    Minuten später hast du die AGB und den Auftragsbogen ausgedruckt und gelesen. Du loggst dich bei deiner Bank ein und überweist die Vorauszahlung auf das Konto der Agentur. Das Temponimmt dir den Atem. Der Termin soll in zehn Tagen sein. Du kannst es noch immer nicht fassen.
     
    BESCHREIBEN SIE UNS KURZ IHR PROBLEM
     
    Um dich auf deinen Text zu konzentrieren, setzt du dich erst mal auf den Balkon und atmest durch. Du denkst an die verhängten Spiegel in deiner Wohnung. Du denkst daran, wie lange du dir schon nicht mehr selbst in die Augen sehen konntest. Zwei Monate, sechsundzwanzig Tage, elf Stunden.
    Du nimmst den Stift in die Hand und füllst den Bogen aus. Die Worte müssen stimmen.
    Jeder Satz ist wichtig.

WOLF
    Sein Zimmer liegt am Flurende. Sein Name steht in bunten Holzbuchstaben auf der Tür. Frank. Er wohnt in der Wohnung seiner Mutter. An den Wänden hängen Bilder von Schutzengeln. Rosige Dickerchen, die im Gebet den Kopf senken;

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