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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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passiert sei. Es dauert eine ganze Minute, dann räuspert sich Löffler und fragt:
    – Was ist denn passiert?
     
    Vier Monate nach seiner Entlassung wurde auf dem PC eines anderen Mitarbeiters derselbe Download entdeckt. Der Täter wurde nicht entlarvt, denn der Täter war ein cleverer Mitarbeiter, der sich in den Mittagspausen an die Plätze seiner Kollegen setzte und das Internet nach Lust und Laune durchforstete. Die Firma wußte sich nicht anders zu helfen und hat Blocker installiert. Keiner erwähnte Frank Löffler. Es war so, als hätte es ihn nie gegeben. Ein halbes Jahr lebte der Chef der Firma mit der Tatsache, den falschen Mann gefeuert und bei der Polizei angezeigt zu haben. Dann holte ihn sein schlechtes Gewissen ein. Er ließ die Anzeige fallen und wandte sich an die Agentur.
    – Und man weiß nicht, wer es gewesen ist? fragt Löffler.
    – Einer Ihrer Kollegen, mehr kam nicht heraus.
    – Ist ja auch egal.
    Wolf gibt ihm recht.
    – Wieviel? will Frank Löffler wissen.
    – Achtzigtausend.
    Er bleibt stehen.
    – Als Entschuldigung?
    – Als Entschuldigung.
    Sie befinden sich einige Meter vom Eingang des Supermarktes entfernt. Wolf weiß, was Frank Löffler jetzt denkt. Er überlegt, ob er vor Gericht gehen soll. Würde er fragen, würde Wolf ihm davon abraten. Sie leben nicht in Amerika. Die Firma würde von einem Fehler sprechen und sich entschuldigen. Die BZ hätte eine Schlagzeile, und die Bild würde nur müde abwinken. Jeder darf Fehler machen. Und außerdem, wer sagt denn, daß Frank Löffler nicht doch so einer war?
    – Meine Mutter darf nichts davon erfahren, bittet er Wolf, lehnt sich plötzlich gegen die Hauswand und schnappt nach Luft, wie jemand, der eben aus dem Wasser aufgetaucht ist.
    – Kein Wort zu meiner Mutter, bitte, hören Sie?
    Wolf hat keine Ahnung, warum die Mutter nichts davon erfahren darf. Vielleicht will er sie bestrafen. Er verspricht es ihm.
    Löffler greift sich an die Brust, atmet tief ein und sieht Wolf das erste Mal richtig an.
    – Wer sind Sie?
    – Ein guter Engel, antwortet Wolf und bereut es, ihm eine Antwort gegeben zu haben. Er hat sofort die kitschigen Bilder der Schutzengel vor Augen.
    – Nein, wirklich, wer sind Sie? hakt Löffler nach. Sie sind nicht von der Firma, das ist mal sicher.
    Wolf erzählt ihm von der Agentur und gibt ihm eine Visitenkarte.
    – Wir tun Gutes, erklärt er.
    Frank Löffler starrt auf die Visitenkarte.
    – Sie entschuldigen sich für andere?
    Seine Stimme klingt ein wenig schrill, als er das sagt. Wenn er mir jetzt moralisch kommt, dann werde ich ihm eine scheuern müssen , denkt Wolf und holt sich die Visitenkarte zurück.
    – Ist das nicht unethisch? will Frank Löffler wissen.
    – Kommt auf den Blickwinkel an. Die Kirche macht es auf ihre Weise, das Fernsehen auf seine. Wir haben unsere.
    Löffler lacht plötzlich los. Es ist okay. Er lacht nicht über Wolf oder die Agentur. Er lacht über das Leben. Wolf kennt dieses Lachen. Betrunkene haben es, hysterische Kleinkinder auch, die sichvor Spaß nicht mehr einkriegen können. Frank Löffler ist ganz schön kaputt. Er läßt Wolf stehen, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Er geht vorbei am Supermarkt und auf die andere Straßenseite. Eines ist sicher, Lidl wird ihn nie wiedersehen. Auch wenn Wolf es ihm nicht zugetraut hat, für jemanden wie Frank Löffler ist das ein sehr guter Abgang.
    Fünf Minuten später läßt Wolf den Chef der Firma wissen, daß Frank Löffler das Angebot abgelehnt hat und mit einer Klage droht.
    – Aber ...
    Der Chef verstummt. Er ahnt, daß Wolf mehr zu sagen hat. Kris hat seinem Bruder dieses Schweigen beigebracht. Sag dem Kunden, was du ihm zu sagen hast, dann gib ihm ein Schweigen. Steigere die Spannung. Laß den Kunden zappeln.
    – Wir haben lange diskutiert, spricht Wolf weiter, Herr Löffler würde sich mit einer höheren Abfindung zufriedengeben. Er möchte die Zahlung in Raten haben, ich denke, die Bankverbindung liegt Ihnen bestimmt noch vor.
    Ja, sie liegt vor. Wolf sagt dem Chef die Summe. Der Chef räuspert sich. Wolf lächelt. Er wünscht sich, jeder Auftrag wäre so. Es tut einfach verdammt gut, ein Engel zu sein.
     
    Er hat vor dem nächsten Termin eine knappe Stunde Zeit und fährt zu einem indischen Restaurant am Schlesischen Tor. Ein paar Reiskörner liegen auf seinem Stuhl, er fegt sie runter und setzt sich. Er ist nicht hungrig, er braucht die Nähe von Menschen. Restaurants sind perfekt dafür.
    Die Mittagswelle ist abgeebbt,

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