Sorry
allein ist. Ein Mann sitzt ihr gegenüber.
– Das ist Gerald, sagt Frauke, er ist von der Kripo.
Das reicht. Es sind nur ein paar Tropfen, aber Tamara spürt sie an ihrem Oberschenkel herunterlaufen. Kripo . Tamaras Stimme klingt gequetscht, als sie sagt, daß sie mal dringend aufs Klo muß. Bevor irgend jemand etwas dagegen einwenden kann, ist Tamara nach oben verschwunden, obwohl es im Erdgeschoß auch eine Toilette gibt.
– Was?
Davids Stimme klingt, als wäre er Tausende von Kilometern entfernt. Tamara denkt, wie merkwürdig es ist, daß jemand, der einem so nahe stand, so fern sein kann.
– Ich sagte - - -
– Ich habe dich gehört. Wo bist du?
Tamara will ihm nicht sagen, daß sie sich im Badezimmer eingeschlossen hat. Sie will ihm auch nicht sagen, daß sie im Dunkeln auf dem heruntergeklappten Toilettendeckel sitzt, Knie an der Brust, Arme drum herum gelegt.
– Zu Hause, sagt sie.
– Tamara, wir haben doch ausgemacht - - -
– Ich wollte nur wissen, ob es Jenni gutgeht.
– Es geht ihr gut, natürlich geht es ihr gut, was denkst du denn? – Schaust du bitte.
– Was?
– Nur ganz kurz, David. Gehst du bitte nach oben und schaust, ob es ihr wirklich gutgeht? Ich bleibe dran.
David schweigt. Tamara hört, wie er einatmet, dann raschelt es, und Schritte entfernen sich. Sie wartet. Sie starrt auf den Spiegel über dem Waschbecken, der als schwarzer Fleck zurückstarrt.
Wenn ich mich anschleiche und hineinschaue, vielleicht sehe ich mich, wie ich auf dem Klo sitze und den Hörer ans Ohr drücke. Vielleicht kann ich diese Tamara zurücklassen und ganz woanders neu anfangen.
– Sie schläft, sagt David am anderen Ende.
– Danke, danke, danke.
Tamara atmet auf, sie spürt, daß ihr die Tränen in die Augen steigen.
– Sag mal, Tamara, was soll das alles?
– Könntet ihr nicht für eine Weile verreisen?
– Was willst du?
– Verreist doch für eine Weile. Ein paar Wochen oder so. Es ist doch schönes Wetter und - - -
– Tamara, das Wetter ist schrecklich. Wir haben Mitte Februar. Hast du was genommen?
Die Tränen fließen jetzt, Tamara schluchzt. David versucht, sie zu beruhigen, Tamara will nicht, daß er sie weinen hört. Sie zieht die Nase hoch, sie versucht, sich zu beruhigen.
– Angst, preßt sie schließlich hervor.
– Was?
– Ich habe Angst, David.
– Wovor?
– Da draußen ist so viel Böses.
– Tamara - - -
– Versprich mir, daß du in den nächsten Tagen ganz besonders auf Jenni aufpaßt, versprich es mir.
– Versprochen, sagt David, und dann entsteht eine Pause, die sich für Tamara nach Sehnsucht und Hoffnung anhört, aber David zerstört den Moment, indem er sie bittet, sich zusammenzureißen.
– Hörst du? hakt er nach.
– Ich höre, sagt Tamara und versucht, sich das Licht in Davids Haus vorzustellen. Licht und Geruch und das Wissen, daß immer jemand da ist. Bevor sie David fragen kann, was er denkt, was er fühlt, hat er aufgelegt.
WOLF
Wolf ist schlecht. Seine Nase schmerzt, und das rechte Auge ist fast geschlossen. Er weiß, daß Kris schlimmer dran ist. Die Brüder halten sich mit Mühe auf den Beinen. Da hilft es nicht gerade, daß Frauke ihnen einen Kripobeamten ins Haus geschleppt hat.
– Wie seht ihr denn aus? fragt sie.
Kris sagt, das sei jetzt nicht wichtig.
– Mich würde mehr interessieren, was jemand von der Kripo in unserer Villa verloren hat.
Frauke und Gerald wechseln einen kurzen Blick, als müßten sie sich abstimmen, was sie antworten, dann sagt Gerald, daß Frauke ihn zu Hause abgeholt hat.
– Ich bin nicht im Dienst, also entspannt euch.
Wolf würde am liebsten zurückfragen, wie Gerald sich das vorstellt. Wer entspannt sich schon, wenn er nach Hause kommt, nachdem er eine Leiche vom Tatort entfernt hat, und im Wohnzimmer sitzt ein Kripobeamter auf dem Sofa? Wolf ist zwischen Flucht und Angriff hin- und hergerissen. Er weiß nicht, was es ihm bringen soll, einen Kripobeamten anzugreifen, es ist aber auf jeden Fall besser, als den Schwanz einzuziehen und aus der Villa zu rennen. Er wundert sich auch, daß ein Polizist einfach so ins Haus marschieren und Antworten verlangen darf. Er ist nicht einmal im Dienst. Bevor Wolf eine Frage stellen kann, sagt Frauke:
– Gerald und ich kennen uns von einem Programmierseminar, das ich vor zwei Jahren geleitet habe.
– Kleines Hobby, erklärt Gerald und wackelt mit den Fingern, als würde er eine Tastatur bearbeiten.
Kris will davon nichts hören.
– Ich stehe hier ein
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