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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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war, und fragte nach ihren Namen. Wie alt sie wären. Was sie hier machen würden. Ob sie nicht rauskommen wollten.
    – Wenn ihr nicht rauskommt, muß ich wohl reinkommen, sagte er und duckte sich in die Röhre.
    Die Jungs rannten auf das andere Ende zu und blieben stehen. Im prasselnden Regen war der Schatten der Frau zu sehen. Sie wartete darauf, daß sie rauskamen.
    – Kommt ihr zu mir? hörten die Jungen die Frau sagen.
    – Oder kommt ihr zu mir? hallte die Stimme des Mannes durch die Röhre.
    Die Jungs sahen sich an. Sie entschieden sich und gingen zu der Frau. Sie trauten ihr mehr. Sie waren wie Grashalme auf einer Wiese, die noch nie einen Rasenmäher gesehen hatte.
     
    – Einer von euch darf gehen, der andere muß bleiben. Wer will gehen?
    Es war so einfach. Eine Frage, eine Antwort. Mehr nicht. DieJungen sahen sich an. Sie hatten geweint, aber der Regen ließ die Tränen verschwinden. Sie hatten dem Mann und der Frau ihre Namen gesagt. Ihre richtigen Namen, als würde es etwas ändern. Als würde die Realität plötzlich Vernunft annehmen, wenn sie wußte, daß sie keine zwei Desperados waren, die Züge überfielen und Tresore in die Luft sprengten. Die Jungs hatten erklärt, sie wären nur zum Spielen hier. Sie wollten nach Hause, worauf der Mann sagte, daß das nicht so einfach sei.
    – Oder, Fanni?
    Die Frau erklärte den Jungen, daß sie natürlich nicht Fanni heißen würde. Ihr richtiger Name wäre Franziska, aber wer wollte schon Franziska genannt werden. Der Mann sagte, er wäre Karl. Einfach nur Karl.
    Da versuchte Butch davonzurennen, an der Frau vorbei, weil er dachte, es wäre leichter, vor der Frau davonzurennen. Sie trat ihm die Beine weg. Es ging so schnell, daß Butch gar nicht wußte, wie ihm geschah. Plötzlich lag er mit dem Gesicht im Dreck, wurde hochgezogen und stand wieder neben Sundance. Seine Knie zitterten, Blut lief ihm aus der Nase, das Gesicht war schlammverschmiert.
    – Du blutest, flüsterte Sundance ihm zu.
    Butch wollte sich mit dem Handrücken das Blut wegwischen, die Frau war schneller. Ihr Arm erinnerte an eine Schlange. Sie griff sich das Kinn des Jungen und sagte:
    – Schließ die Augen, Welpe.
    Butch schloß die Augen. Er zitterte am ganzen Körper. Blut und Rotz liefen ihm aus der Nase, wie er dastand und es nicht wagte, sich zu bewegen, zu schauen, zu sein. Die Frau wischte mit den Fingern den Dreck aus Butchs Gesicht, dann leckte sie ihm das Blut weg und küßte seinen zitternden Mund, fuhr mit ihrer Zunge über seine Wangen, leckte an seinen Tränen.
    Sundance wollte sie anschreien. Er wollte seine zwei Revolver ziehen und mit der linken Hand die Frau erschießen und mit der rechten den Mann. Sein Mund blieb zu, und die Revolver lagen weit entfernt in Mexiko.
    Als sich die Frau wieder aufrichtete, sagte sie, daß einer von ihnen jetzt gehen dürfe und der andere bleiben müsse.
    – Wer will gehen?
    Die Jungen sahen sich an, und der eine von ihnen wollte gerade sagen, daß er gehen wolle, daß er unbedingt gehen wolle, da kam ihm der andere zuvor. Er war einfach eine Sekunde schneller und drehte sich um und ging davon. Es war nur ein kleiner Verrat, die Jungs hätten sich in dieser Situation sowieso nichts geschenkt. Der eine ging, der andere blieb. So war es. Aber Sundance ging nicht wirklich. Er versteckte sich hinter einem Ziegelstapel. Er wußte, daß er es Butch schuldig war. Dabeisein. Was auch geschah, er war ein Zeuge. Dabeisein. Für eine Weile zumindest. Dann wollte er Hilfe holen. Dann.
     
    Du erinnerst dich an alles. Wie aus Butch ein Welpe wurde. Wie sich der Junge von einem Menschen in einen Hund verwandelte. Was ihm der Mann antat. Was ihm die Frau antat. Wie der Welpe auf allen vieren im Regen hocken mußte, nachdem sie ihn ausgezogen hatten. Wie er zitterte und wie sein Jammern über den fallenden Regen hinweg klang. Dünn, verloren, einsam. Und wie Sundance sich übergab. Aus Angst und Hilflosigkeit.
    Als der Mann und die Frau verschwanden, war Butch wieder ein Mensch und lag im Regen. Er versuchte aufzustehen und fiel einfach um. Zu schwach. Niemand kann diesen Schmerz beschreiben. Niemand sollte es tun. Auch du nicht, obwohl du immer wieder nach Worten dafür suchst.

TAMARA
    Es donnert. Tamara schreckt im Bett auf. Ihr Mund fühlt sich an, als wäre er mit Watte gefüllt. Sie erinnert sich daran, daß sie schon einmal so panisch erwacht ist. Vor einer Ewigkeit, in der Wohnung ihrer Schwester. Damals hatte sie eine durchtanzte Nacht mit

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