Sorry
reagierte nicht. Frauke öffnete die Tür und trat ein. Die Hitze schlug ihr ins Gesicht.
– Mama?
Ihre Mutter sah erschrocken auf. Die Ärzte hielten nichts von spontanen Besuchen. Sie sagten, die Patienten müßten sich auf die Begegnungen einstellen. Vielleicht existiere ich nicht für sie, weil ich mich nicht angemeldet habe , dachte Frauke und versuchte zu lächeln.
– Ich habe nicht so früh mit dir gerechnet, sagte ihre Mutter. Birgitt wollte mich nach der Sauna noch massieren und - - -
– Ich muß jetzt mit dir reden, unterbrach Frauke sie und blieb in der Tür stehen. Es fühlte sich an, als würden ihre Lungen sich weigern, die schwüle Luft einzuatmen. Ihre Mutter klopfte neben sich auf die Bank.
– Dann setz dich doch.
– Könntest du nicht - - -
– Schließ die Tür und rede hier mit mir, sagte ihre Mutter streng und rutschte zur Seite, um ihrer Tochter Platz zu machen.
Frauke schloß die Tür und setzte sich. Sie war nervös und hätte sich gerne eine Zigarette angezündet, hatte aber keine Ahnung, ob das in einer Sauna überhaupt möglich war.
– Ich wußte, du würdest kommen, sagte ihre Mutter. Ich habe es hier gespürt.
Sie hob ihre linke Brust, ließ sie wieder fallen.
Schöne Geste , dachte Frauke und nickte, als würde sie genau verstehen, was ihre Mutter meinte. Ihr Körper war in Schweiß gebadet, sie dachte aber nicht daran, ihren Mantel auszuziehen. Das ist mein Panzer, der bleibt dran. Die Hand ihrer Mutter legte sich auf ihr Knie, Frauke zuckte zurück.
– Ruhig, sagte ihre Mutter.
– Ich bin ruhig.
Die Mutter tätschelte das Knie.
– Er war da, sagte sie. Er hat mit mir gesprochen. Er mag dich. Ich glaube, deswegen hat er mich aufgesucht. Er wollte mehr über dich wissen. Er hat mich gefragt, wieso du so leidest. Du kannst dir vorstellen, wie überrascht ich war. Ich wußte nicht, daß du leidest. Deswegen mußte ich dich sprechen. Ich wollte, daß du weißt, du bist ohne Schuld. Verstehst du?
Frauke versuchte, zu reagieren. Ordnung, bring Ordnung in dieses Chaos. Sie räusperte sich, wischte den Schweiß aus ihren Augen.
– Mama, wer war da?
– Der Teufel, von wem spreche ich sonst?
– Woher weißt du, daß er der Teufel war?
– Denkst du, ich erkenne den Teufel nicht, wenn er an meinem Bett steht?
Ihre Mutter lachte, sie lachte Frauke aus, und Frauke tat etwas, was sie nie für möglich gehalten hätte: Sie schlug ihrer Mutter ins Gesicht.
– Ich bin neunundzwanzig, sagte sie und mußte es noch einmal wiederholen. Ich bin neunundzwanzig und keine fünfzehn mehr. Ich habe genug Scheiße am Hals. Du mußt aufhören, mir solch einen Mist zu erzählen, kapiert? Damit ist Schluß.
Mutter und Tochter sahen sich an. War da Anerkennung in den Augen der Mutter? Irgendwas verwirrte Frauke an ihrem Blick. Dann hob Tanja Lewin die Hand und legte sie ihrer Tochter auf die Wange, sanft, als hätte Frauke den Schlag abbekommen und nicht sie.
– Nicht weinen, sagte ihre Mutter. Ich weiß doch, wie schwer du es hast.
– Du weißt nichts.
– Doch, ich weiß es, und wenn du all das wüßtest, was ich weiß, dann wärst du hier mit mir eingeschlossen. Wir Verrückten wissen einfach zuviel.
Sie lächelte, sie hatte einen Witz gemacht. Frauke wollte weg. Siestellte sich vor, wie sie aus der Sauna rannte, sie sah sich im Gang schwer atmend gegen die Wand gelehnt stehen und schmeckte die Zigarette, und dann war sie auf der Straße und dann im Auto, und dann war sie weg.
– Was hast du dem Teufel erzählt? fragte sie leise, und ihre Stimme klang dabei brüchig. Sie begriff schmerzhaft, was sie hier tat. Sie ließ sich auf ihre Mutter ein. Mal wieder.
Tanja Lewin hat den Teufel so oft gesehen, daß sie sich nicht mehr täuschen ließ. Der Teufel hat für sie gesungen und Gedichte rezitiert; er hat ihr Herz umfaßt und ihr damit bewiesen, daß sie ihm gehört. Fraukes Mutter weiß, wie der Teufel riecht, was seine Vorlieben sind, was seine Abneigungen. Einmal kam er als Kind zu ihr. Er schlich sich in die Klinik, stand an ihrem Bettrand und sagte, er habe sich verlaufen. Tanja Lewin verlachte ihn. Ein anderes Mal besuchte er sie als ihr Ebenbild, und da schrie sie, bis kein Ton mehr aus ihrem Mund kam.
Nach einer Abwesenheit von Jahren kehrte der Teufel vor fünf Tagen wieder zu Tanja Lewin zurück. Er trug eine dicke Jacke, Stiefel und Wollmütze. Er war jung, er war freundlich.
– Der Teufel friert doch nicht, hat sie zur Begrüßung gesagt.
– Ich
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