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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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den Wänden hervorwuchs. Butch kannte jeden Riß und jede Stelle, durch die der Regen vom Dach durchgekommen war. Er hatte das Fischgrätmuster auf dem Boden gezählt.
    – ... schlug mir gegen die Schulter, bis ich weinte. Es war ihm wichtig, daß ich weinte. Er sagte: Wenn ich keine Tränen sehe, sehe ich keine Reue. Ich wußte nicht, was er damit meinte, ich hätte auch so geweint, aber er schlug zu, und ich konnte sehen, daß er selberTränen in den Augen hatte, als wäre ich es, der ihn schlug, und nicht andersherum ...
    Im Winter lief die Heizung auf Hochtouren, und es war schwül in dem Zimmer. Im Sommer dagegen war es durchgehend kühl, da die Sonne nie die Fassade erreichte. Butch wußte nie, wie lange sie ihn gefangenhielten. Er gewöhnte sich an den Geruch, er gewöhnte sich an das Licht. Er gewöhnte sich an alles. Sobald er in dem Zimmer war, verlor er sein Zeitgefühl. Im nachhinein verstand er, daß es so besser war. Hätte er der Zeit einen Rahmen geben können, wäre sie real geworden wie ein Stundenplan. Butch wollte keine Realität.
    – ... nach draußen und ließ uns allein. Die Frau steckte mir dann ihre Finger rein. In den Mund, den Hintern. Sie schob mir ihre Finger in die Nase und hielt dabei meinen Mund zu, so daß ich beinahe erstickt wäre. Sie fragte mich dann, ob ich sie nackt sehen wollte, und ich durfte nicht nein sagen, das war wichtig, ich mußte ja sagen. Beim ersten Mal schüttelte ich den Kopf, und sie drückte mir den Hals zu, bis ich es knacken hören konnte, als wäre mein Hals ein trockener Ast. Also sagte ich ja . Immer ja. Sie nahm dann meinen Fuß und rieb sich daran und fragte, ob ich denn spüren würde, wie feucht sie sei. Dabei sah sie mir ins Gesicht, und ich mußte lächeln, und ich mußte Spaß haben. Es war so schwer. Es war so schrecklich schwer, denn mein Gesicht - - -
    Die Toilettentür flog auf, und ein Besoffener taumelte herein. Er sah Sundance auf dem Boden sitzen und schrak zurück. Sundance sagte ihm, er solle verschwinden, die Toiletten wären kaputt. Der Besoffene murmelte eine Entschuldigung und ging wieder. Sundance stand auf und verriegelte die Tür.
    – Bist du noch da? fragte Butch.
    – Ich bin noch da.
    Sundance setzte sich wieder und wartete. Butch sprach von dem Schamgefühl, von der Wut und der Hoffnung, nur durchhalten zu müssen, denn wenn er durchhielte, würde alles wieder gut werden, und seine Eltern wären in Sicherheit und der Alptraum eines Tages zu Ende.
    – ... kam der Mann wieder, und sie sagte ihm, was er tun sollte. Sie setzte sich auf einen Stuhl und sagte: Dreh ihn um und fick ihn, bis er ohnmächtig ist. Da hat er mich umgedreht. Ich sah die Fototapete, ich sah direkt in den Wald hinein. Da war die Kälte des Gleitmittels und die Hände auf meinen Schultern, die mich nach unten zogen, bis ich glaubte, jeden Moment müßten mir die Arme reißen ...
    Butch tauchte in die Fototapete ein. Er stand neben dem Hirsch am Seeufer und hörte ihn trinken. Das schlürfende Geräusch, das Plätschern des Wassers, das Murmeln des Waldes, und wie Butch über den See in das Grün schaute, sah er sich selbst weit entfernt in einem Kreuzberger Zimmer mit dem Gesicht zur Wand stehen. Er sah, was der Mann ihm antat, und es berührte ihn nicht. Er hätte nicht einmal das Gesicht des Mannes beschreiben können. Auch wenn sie verlangten, daß er sie ansah, schaute er durch sie hindurch. Er wollte vergessen, wer sie waren; seine gesamte Existenz war auf einen winzigen Moment zusammengeschrumpft. Den Moment, in dem er dieses Zimmer verließ und ins wahre Leben zurückkehrte. Butch sah, was er sehen wollte, und er wollte so wenig sehen, daß er auch blind hätte sein können.
    – ... dann wieder zu mir kam, hängten sie mich ab und wuschen und zogen mich an. So ging es jedesmal. Manchmal sagten sie: Wenn du nicht schreist, wenn du ganz still bist, lassen wir dich dieses Mal sofort gehen, und du siehst uns nie wieder . Und ich habe es geglaubt, weißt du, ich habe es wirklich geglaubt. Also habe ich versucht, nicht zu schreien, aber hast du schon mal versucht, nicht zu schreien, wenn dir jemand eine Zigarette an die Fußsohlen hält? Hast du versucht, den Mund zu halten, wenn jemand deine Beine auseinanderreißt? Das geht nicht, da kannst du noch so sehr die Zähne zusammenbeißen, es geht einfach nicht. Ich konnte mir nicht einmal die Hände vor den Mund drücken, weil ich ja an diesem Haken hing. Also schrie ich. Und die Frau schob mir ...
    Ein Tag im

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