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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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Monat, zwölf Tage im Jahr. Dazwischen funktionierte Butch wie ein Uhrwerk. Er machte keinen Ärger, er war ein Junge, der sich scheinbar selbst genügte. Einmal im Monat wartete er gegenüber vom Springbrunnen auf den Wagen. Im nachhinein wunderte er sich, daß niemand mitbekommen hatte, wie er an einer Kreuzung mitten in Zehlendorf regelmäßig in ein Auto gestiegen war. Jahrelang dasselbe Ritual. Vielleicht lag es an demOrt, vielleicht geschah zuviel gleichzeitig. Und vielleicht wollte er in seiner Scham einfach nicht gesehen werden.
    In der Dunkelheit zu sein, während alle anderen im Licht stehen. Hilflos zu sein, wehrlos. Wütend zu sein und es nicht zu zeigen. Einsam in Gesellschaft. Immerwährend hungrig, durstig, müde, erschöpft. Das Leben um sich herum spüren und es nicht berühren können. An den einen Tag im Monat nicht denken. Die ganze Zeit an den einen Tag im Monat denken. Unterbewußt. Auf einer entfernten Spur reisen. Weit weg. Unsichtbar.
    Butch glaubte, daß er sie irgendwann langweilen würde. Er setzte darauf. Er wurde dreizehn, er wurde vierzehn. Manchmal wünschte er sich, sie würden ihn am Haken hängen lassen. Dreißig Tage lang. Und wenn sie dann zurückkämen, wäre er verhungert und verdurstet, und alles hätte ein Ende. Aber was auch immer er sich wünschte, tief in seinem Inneren blieb die Gewißheit, daß es irgendwann vorbeisein würde. Er wußte es. Er wußte es ganz genau. Und wurde fünfzehn und wurde sechzehn.
    – ... und dann verschwanden sie.
    Butch war siebzehn Jahre alt, er stand am Straßenrand, und die Frau und der Mann kamen nicht. Aus Furcht kehrte er im selben Monat jeden Tag zu der Kreuzung zurück. Der rote Ford blieb weg. Butch kam nie auf die Idee, daß er ihnen zu alt geworden war. Der junge Butch war kein Junge mehr. Sein siebzehnter Geburtstag ließ ihn erwachsen und für sie unbedeutend werden.
    Butch wiederholte das Ritual während der kommenden Monate. Nachts schaute er aus dem Fenster und wartete darauf, daß sie ihn holen kamen. Er war sich sicher, etwas falsch gemacht zu haben. Er fürchtete um seine Eltern. Monat für Monat. Und dann war er es, der wegblieb.
    – ... Nächte wurden schlimmer, auch wenn ich es mir gewünscht hatte, konnte ich nicht glauben, daß es vorbei war. Ich glaube, wenn du sieben Jahre lang von einem Alptraum verfolgt wirst, dann kannst du noch so oft wach werden, du traust dem Ganzen nicht. Der Alptraum wird zur Realität, und wieso sollte die Realität plötzlich verschwinden?
    Butch verstummte. Mit einem Schlag kehrten die Geräusche wieder. Die Musik aus der Bar, das Plätschern von Wasser, dieNeonröhre gab ein leises Pling von sich. Butch blieb lange still. Sundance sah auf seine Uhr. Er fühlte sich müde, ihm war kalt.
    – Kommst du raus? fragte er.
    – Ich kann nicht.
    – Schließ einfach die Tür auf.
    – Ich sagte doch, ich kann nicht!
    Butchs Stimme klang panisch. Sundance betrat die danebenliegende Kabine. Er stellte sich auf die Toilette und schaute über die Zwischenwand. Butch hatte die Beine angezogen und die Arme drum herum gelegt. Er saß auf dem Toilettendeckel, sein Gesicht war zwischen den Knien verschwunden. Er wippte vor und zurück.
    Sundance hievte sich hoch. Die Zwischenwand wankte, aber sie hielt. Sundance stieg in die Kabine und nahm Butch in den Arm. Es war, als würde er einen Stein umarmen. Erst nach zehn Minuten entspannte sich Butch. Sie verließen die Bar und waren von diesem Tag an wieder unzertrennlich.

WOLF
    – Laß uns verschwinden, sagt Tamara.
    Wolf schreckt zusammen, er ist mit seinen Gedanken und Gefühlen so sehr unter Verschluß gewesen, daß die Geräusche um ihn herum ausgeblendet waren. Er hat während der Zeremonie mit niemandem gesprochen, er ist an Tamaras Seite geblieben und hat ihr Halt gegeben, zu mehr war er nicht fähig. Jetzt zieht Tamara an seinem Arm. Sie lösen sich von den Trauernden, gehen aber nicht auf den Friedhofsausgang zu, wie Wolf gehofft hat. Statt dessen hockt Tamara sich vor den Sarg, und als sie sich wieder aufrichtet, hält sie eine Rose in der Hand.
    – Ich glaube, das hat jeder gesehen, sagt Wolf.
    – Macht nichts.
    Tamara hakt sich bei ihm unter, sie verabschieden sich von niemandem, sie gehen einfach. Als sie Wolfs Wagen erreichen, bleibt Tamara auf der Fahrerseite stehen. Wolf fragt nicht, er wirft ihr den Schlüssel zu und steigt ein.
     
    – Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr hier.
    Da es ein Wochentag ist, sind nur ein paar Mütter mit

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