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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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Kinderwagen unterwegs. Zwei alte Männer sitzen auf einer Bank und haben einen Tetrapack Rotwein zwischen sich stehen. Wolf hat das Gefühl, daß sich der Park seit seiner Jugend nicht verändert hat.
    Sie gehen vorbei am Spielplatz und dem Kiosk und nehmen Kurs auf das Gefallenendenkmal. Kurz davor biegen sie auf einen Seitenweg ab, der direkt zum Wasser hinunterführt.
    – Da rein.
    Tamara zeigt auf die dichten Büsche neben einer Trauerweide. Wolf duckt sich und taucht in das Gestrüpp ein. Hinter den Büschen ist ein winziges Rasenstück, das zum Wasser führt und gerade mal Platz für zwei Leute bietet. Das Rasenstück ist durch die Büschevom Weg abgeschirmt. Auf der gegenüberliegenden Uferseite sind eine Reihe von Altbauwohnungen und das Hotel zu sehen.
    Tamara hockt sich ans Ufer, wie sie sich vor den Sarg gehockt hat, und legt die Rose auf das Wasser. Sie dümpelt einen Moment vor sich hin, dann treibt sie auf die Mitte des Sees zu. Wolf hockt sich neben Tamara.
    – Guter Plan.
    – Danke.
    Eine Ente schwimmt auf die Rose zu, stößt mit dem Schnabel einmal dagegen und schwimmt weiter. Wolf und Tamara richten sich gleichzeitig auf, stoßen aneinander und fallen beinahe in den See. Wolf legt einen Arm um Tamara. Er ist überrascht, als sie sich an ihn drückt. Er spürt ihren Atem an seinem Hals, riecht diesen Geruch, der ihm schon immer ein Rätsel war. Wie kann sie nur so gut riechen? In ihrem Geruch findet er auch diesen Tag. Die Trauer, die Müdigkeit und auch die Wut. Er zieht Tamara enger an sich heran und vergräbt sein Gesicht in ihrem Haar. Für eine Sekunde schreckt sie zurück, sein Atem an ihrem Ohr. Hungrig, er ist hungrig. Sein Unterkörper drückt gegen den ihren, Tamara weicht nicht zurück, auch als sie seine Erektion spürt, bleibt sie nahe bei ihm. Ihre Lippen wandern über seinen Hals, seine Hand streicht durch ihr Haar und zieht ihren Kopf zurück, so daß sie ihn ansehen muß. Beide atmen sie schwer, beide warten sie auf den nächsten Schritt.
    – Hier?
    – Hier.
     
    Er liegt auf dem feuchten Gras und hat den Lietzensee zu seinen Füßen. Ihm ist egal, wer aus den gegenüberliegenden Häusern zuschaut, ihm ist egal, ob das Hotel Eintrittskarten verkauft. Er hat nur Augen für Tamara, die sich über ihm bewegt und auf ihn hinabblickt, als würden sie das jeden Tag machen, als wäre an dieser Situation nichts Fremdes. Sie sind nicht mehr verzweifelt, ihre Trauer treibt wie die Rose auf der Oberfläche des Lietzensees und entfernt sich weiter und weiter von ihnen. Es ist pure Lust. Ihre Hände auf seiner Brust, ihre Augen geschlossen, und wann immer sie ihn ansieht, lächelt er, und sie schließt wieder ihre Augen, um diesen Moment so lange wie möglich zu bewahren.
    – Komm, wann immer du willst.
    Er denkt nicht daran. Auch er will diesen Moment halten und wünscht sich, Frauke könnte sie jetzt sehen. Für dich , will er sagen, was auch immer wir falsch gemacht haben, das hier machen wir richtig, und ich hoffe, du verstehst es, ich hoffe es wirklich . Tamaras Bewegungen werden fordernder, Wolf versucht, ruhig zu bleiben, seine linke Hand umschließt ihren Nacken, die rechte liegt auf ihrem Hintern. Von irgendwoher pfeift jemand. Tamara lacht, ihre Lippen auf seinen Lippen, ihr Stöhnen in seinem, sein Stöhnen in ihrem Mund, und dann hält sie inne. Tief . Er ist so tief in ihr, daß es kein Vor noch Zurück gibt. Es ist vorbei. Wolf hat das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Angekommen. Sie sehen sich an. Tamara spannt ihre Muskeln an und lächelt. Als wüßte sie ganz genau, wer ich bin und warum ich hier bin. Wolf verliert sich in diesem Lächeln. Sie sind beide angekommen.

DU
    – Und? Wie ist es dir so ergangen?
    Karl Fichtner hat seine Fassung wiedergefunden. Er hat beim Kellner ein Bier bestellt, das Glas geleert und seine Fassung wiedergefunden. An der Art, wie er dir die Frage stellt, begreifst du, daß er keine Ahnung hat, wer du wirklich bist. Er hat zwar das Foto gesehen, und du sitzt vor ihm, dennoch weiß er nicht, wer du wirklich bist. Bei Fanni war es das gleiche. Es ist dir ein Rätsel, wie diese beiden Menschen so mechanisch und grausam vorgehen konnten, ohne sich ernsthaft mit den Kindern auseinanderzusetzen, die sie zerstörten.
    – Mir geht es nicht so gut, sagst du.
    Fichtner nickt, als würde er das verstehen. Er sagt, daß du dich nicht verändert hast.
    – Du bist zwar gewachsen, aber ...
    Er verstummt, sein Kinn zittert.
    – Es tut mir so leid. Ich ...

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